Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

« Türkei. 479 
19. Aug. Die beabsichtigte Justizreform wird wieder fallen gelassen und 
20. 
Fazyl Pascha zum Finanzminister ernannt. 
„ (RNumänien). Ein revolutionärer Versuch der rothen Partei 
in Plojesti scheitert. Ein Theil der Verschwörer wird gefangen. 
10. Sept. Der griechische Patriarch verlangt seine Entlassung, wofern 
26. 
ihm die Abhaltung eines Concils nicht bewilligt werden sollte. 
„ (Serbien). Eröffnung der behufs Berathung einer Verfas- 
sungsrevision einberufenen Skupschtina. Die Thronrede 
betont, daß die erwirkte Anerkennung der Erblichkeit des Thrones in der 
Familie Obrenowitsch Seitens der Pforte dem Lande eine festere Grundlage 
gegeben habe, und kündigt an, daß die serbische Eisenbahnfrage gleichfalls im 
Einverständniß mit der Pforte so gut als gelöst sei. Ebenso befriedigend sei 
die Art, wie die Wehrkraft des Landes nunmehr organisirt und vervollkomm- 
net worden: das kleine stehende Heer sei um 3000 Mann vermehrt und 70,000 
Mann Landwehren seien so tüchtig eingeübt, bewaffnet und vollständig aus- 
gerüstet, daß Serbien auf diese Macht zu jeder Stunde zählen könne; außer- 
dem besitze der Staatsschatz einen Baarvorrath von 6 Mill. Gulden, auch 
seien die öffentlichen Getreidemagazine vollgepfropft. Serbien könne somit der 
Zukunft ruhig entgegensehen. 
Die Präsidenten der Skupschtina werden im Namen des Fürsten 
von der Regentschaft ernannt. 
4. Oct. (Serbien). Die Skupschtina erläßt eine sehr loyale Adresse 
29. 
an die Regentschaft und tritt sofort in die Berathung der Verfas- 
sungsrevision sowie der anderen zahlreichen Vorlagen der Regent- 
schaft ein. 
„ (Numänien). Die Geschwornen in Tergovest sprechen die ge- 
fangenen Anstifter und Nädelsführer des revolutionären Versuchs 
in Plojest vom 20. Aug. frei. 
6. Nov. (Serbien). Schluß der Skupschtina. Die Regentschaft hebt 
Mitte 
in ihrer Schlußrede den bedeutenden Umstand hervor, daß nunmehr 
in Serbien die Preßfreiheit und die Parlamentswahlfreiheit einge- 
richtet und mit genügenden Garantien umgeben sei. Die Minister 
sind fortan der Skupschtina verantwortlich. 
Außerdem hat die Skupschtina, gegen den Widerstand der Clerikalen, die 
Errichtung eines Schullehrer-Seminars genehmigt und die erforderlichen Mittel 
dazu bewilligt. Ferner wurde die Errichtung einer Ackerbau= und Forst-Aka- 
demie beschlossen und ebenso die Schöpfung einer Offiziersschule für die Offi- 
ziere der Landwehr. Das neue Preßgesetz kennt weder Concessionszwang, noch 
Cautionen, noch eine Stempelsteuer: die Censur ist abgeschafft. Ein sehr löb- 
liches Licht auf die Richtung, welcher die serbische Politik folgt, wirft die Vor- 
lage, daß der mohammedanische Geistliche (Hodza) in Belgrad den Geistlichen 
anderer Religionsgenossenschaften, die unter dem serbischen Schutze stehen, gleich- 
gestellt werde. Mithin wird er gleich dem dortigen protestantischen Pfarrer 
einen Jahresgehalt von 600 fl. (ö. W.) vom Staate beziehen. 
„ Die Pforte, obgleich zunächst betheiligt, nimmt die Kündigung 
der Neutralisation des schwarzen Meeres von Seite Nußlands mit 
auffallendem Gleichmuth hin und bricht damit der anfänglich kriege-
	        
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