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Preußen und der norddeutsche Pund.
solutistische Bestrebungen immer kühner zu Tage traten, Bestrebungen, welshe
den dogmatischen Zusammenhang mit der Vergangenheit verleugnen, eventuell
die Einheit der Kirche gefährden und die beklagenswerthe Kluft, welche uns
von den andern Confessionen trennt, ungausfüllbar erweitern. Ihrer Initiative
ist es zu verdanken, wenn eine alle Schichten durchdringende, für die Kirche
ersprießliche Bewe gung die Geister in Deutschland ergriffen. Ihre
Erwägungen für die Bischöfe des Concils über die Frage der päpstlichen Un-
fehlbarkeit, vor allem auch Ihre jüngste Kundgebung vom 19. Jan., haben
bei den besonnenen Katholiken lebhaften Wiederhall gefunden; Ihre männlich
offene, wie überzeugende Sprache hat weit über die Grenzen des Vaterlandes
hinaus eine zündende Wirkung hervorgerufen. Zwar wissen wir, daß Sie eine
öffentliche Zustimmung nicht erwarten: das Interesse an der Sache, für welche
Sie mit dem Ansehen deutscher Wissenschaft kämpfen, bedarf einer Ermunterung
nicht. Gleichwohl können wir uns nicht versagen, Ihnen, verehrter Mann,
den Ausdruck unserer warmen Dankbarkeit nahe zu legen. Wir fühlen uns
hiezu um so mehr gedrungen, als die leidenschaftlichen Angriffe und die lieb-
losen Verdächtigungen, welche man gegen Sie gewagt, schon längst unsern
Unwillen erregten. Wir hegen das feste Vertrauen: der von Liebe zur Wahr-
heit getragene Mahnruf, welchen Sie an entscheidende Stelle gesendet, wird
seine heilsamen Ziele nicht verfehlen.“
2. Febr. (Preußen). Abg.Haus: Budgetcommission. Sehr erregte
Debatte über eine von dem frühern Finanzminister v. d. Heydt
gegen das Anleihe= und Etatsgesetz von 1868 gemachte willkürliche
Etatsüberschreitung von 720,000 Thlrn.
Die Regierung muß zugestehen, daß es nicht nothwendig gewesen sei, die
24 Mill.-Anleihe von 1867 schon im Jan. 1868 vollständig aufzunehmen:
die ganze Summe sei eben damals nicht zu Eisenbahnzwecken, sondern zur
Verstärkung allgemeiner Betriebsfonds ausgenommen worden in Folge einge-
tretener Geldknappheit in der Generalstaatskasse, eine Angabe, die seltsam
contrastirt mit den Schilderungen, welche damals — es handelte sich zu jener
Zeit um die Genehmigung der Entschädigungen für die depossedirten Fürsten
— über den günstigen Stand der Staatsfinanzen vom Ministertische aus ver-
breitet wurden. Auch der Versuch Camphausen's, die Sache durch den da-
mals „ umwölkten politischen Horizont“ zu erklären, mißlingt. Es gelingt
dem Finanzminister überhaupt nicht, die cufgeregten Gemüther zu beschwich-
tigen. In der That macht der ganze Vorgang für die Stellung der Regie-
rung zu dem verfassungsmäßigen Rechte des Landtags, die Rechnungen zu
prüfen, einen höchst ungünstigen Eindruck.
„ (Sachsen). II. Kammer: Debatte über den Etat des Aus-
wärtigen.
Minister v. Friesen vertheidigt die normalmäßige Bewilligung des Etats
für die Gesandtschaften, welche denn auch schließlich mit 42 gegen 31 Stim-
men ausgesprochen wird. Hierbei stimmen sechs Mitglieder der Fortschritts-
partei mit der Rechten. Dagegen wird der Antrag des Abg. Jordan mit
38 gegen 33 Stimmen angenommen: die Regierung möge beim Bunde mit
allen Mitteln auf die Beseitigung der Specialvertretungen der Einzelstaaten
und Herstellung einer einheitlichen Bundesvertretung hinwirken und, sobald
dies geschehen, mit Einziehung der sächsischen Gesandtschaften unverweilt vor-
gehen. Der Antrag, daß die Regierung auch ohne einen solchen Erfolg die
bestehenden Gesandtschaften nach und nach eingehen lassen möge, wird mit
42 Stimmen abgelehnt.
Die I. Kammer tritt der Resolution nicht bei, die II. Kammer
beschließt indeß, auf derselben zu beharren.