Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

506 Nebersicht der Ereignisse des Tahres 1870. 
kann, wohlan, so wird man braten.“ Aus dem Munde des Papstes selber 
ward eine Aeußexung erzählt, so cynisch, daß der Verfasser der römischen 
Briefe sie gar nicht wiederzugeben wagte. 
So ward am 13. Juli, allerdings gegen eine überraschend große 
Minderheit; ein Schema angenommen, welches die Macht der Bischöfe, zu 
Gunsten der persönlichen Allmacht des Papstes vernichtete d. h. das herkömm- 
liche Recht der im Concil vertretenen Kirche durch Concilsbeschluß selber 
endgiltig begrub und, nachdem ein großer Theil der Minderheit, bereits in 
Verzweiflung abgereist war, durch die entscheidende Abstimmung vom 18, Juli 
1870 das heiß ersehnte, lang umkämpfte Ziel im Sturm erstiegen. Mit einer 
Mehrheit von 547 Stimmen ward die persönliche Unfehlbarkeit des „pom 
Lehrstuhl herab“ sprechenden Papstes beschlossen; das Decret selber verlas 
der Papst in einem Augenblick, da ein furchtbares Gewitter. sich mit Oonner 
und Blitz über Rom entlud. 
Die entscheidende Stelle im vbierten, Abschnitte der mit den Worten 
Pastor aeternus beginnenden Bulle, die der Papst am 18. Juli. 1870. in 
der Peterskirche zu Rom kund gemacht, lautet folgendermaßen:. 
„Indem Wir daher an der von Anbeginn deschristlichen Glaubens 
überkommenen Ueberlieferung treu festhalten, lehren Wir, mit Zustimmung 
des hl. Concils, zur Ehre Gottes, unseres Heilandes, zur Erhöhung, der 
katholischen Religion und zum Heile der christlichen Völker, und erklären 
als einen von. Gott geoffenbarten Glaubenssatz: daß der römische Papst, 
wenn er von seinem Lehrstuhl aus (ex cathedra) spricht, das heißt, wenn 
er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen, kraft 
seiner höchsten apostolischen Gewalt, eine von der gesammten Kirche fest- 
zuhaltende, den Glauben oder die Sitten betreffende Lehre entscheidet, ver- 
möge des göttlichen, im heil. Petrus ihm verheißenen Beistandes, jene Un- 
fehlbarkeit besitzt, mit welcher der göttliche Erlöser seine Kirche in Ent- 
scheidung einer den Glauben oder die Sitten betreffenden Lehre ausgestattet 
wissen wollte; und daß daher solche Entscheidungen des römischen Papstes 
aus sich selbst, nicht aber erst durch die Zustimmung der Kirche unabän- 
derlich sind. So aber Jemand dieser Unserer Entscheidung, was Gott 
verhüte, zu widersprechen wagen sollte, der sei im Bann.“ 
Was diese Worte für den Staat, der darin nicht genannt ist, zu 
bedeuten haben, wollen wir uns durch einen Mann klar machen lassen, der, 
der gläubigsten Katholiken Einer, Anhänger des Concordats mit Oester— 
reich (1855), dem Concil mit freudiger Erwartung entgegengesehen, als
	        
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