528 Mebersicht der Ereignisse des Jahres 1870.
Verhandlungen wurden betrieben durch einen Schlaukopf, der unter dem
schallenden Hohngelächter der ganzen Welt betheuerte, den auf Belgien
bezüglichen Vertragsentwurf pour ainsi dire sous la dictce „du comte
Bismarck geschrieben zu haben. Es ergab sich ferner, daß diese RNaub-
gelüste keineswegs erst von den „patriotischen Beklemmungen GZüber Sa-
dowa her datirten, daß sie bereits an Bismarck herangetreten waren, ehe
er nur Minister geworden war und endlich, daß als einzige Ursache tödt-
licher Verstimmung übrig geblieben war die Gewißheit, daß Bismarck,
während er den Kaiser und Benedetti über etwaigen Erwerb halb oder
ganz französischer Grenzlande phantasieren ließ, niemals auch nur einen
Fußbreit deutscher Erde gewähren werde.
Glänzend stand jetzt der große Staatsmann da, in seiner Ueber-
legenheit als Diplomat gegenüber verblendeten Ränkeschmieden, noch mehr
in seiner Rechtschaffenheit als deutscher Patriot. In Biarritz sollte er die
Rheinlande versprochen, für den Krieg gegen Oesterreich alle möglichen
finsteren Zusicherungen gemacht haben, bon denen ihn erst der 3. Juli
41866 überraschend befreit hätte; wer erinnert sich nicht dieser und ähn-
licher Ausstreuungen, die Jahre lang in der preußenfeindlichen Presse
umgelaufen waren? Jetzt, da selbst Gramont nicht widersprechen konnte,
sah die Welt, daß an all dem kein wahres Wort gewesen war, daß Graf
Bismarck Jahre lang über Frieden, Ehre und Unversehrtheit Deutschlands,
wie ein wahrer Patriot gewacht und wohl wußte, was er that, wenn er
nach den Siegen von 1866 kein Opfer scheute, um die Einheit und
Schlagfertigkeit des deutschen Heeres zu sichern. Wie sehr der Friede fort
und fort bedroht gewesen war, das konnte man jetzt mit Händen greifen.
Als die Würfel gefallen waren, rechnete das Kaiserreich darauf, mit
seinem Ueberfall ein getheiltes Deutschland und ein ungerüstetes Preußen
vorzufinden. Der Verrath sollte helfen im Norden, der Abfall im Süden
und die Plötzlichkeit der Invasion der Gegenrüstung in Preußen zuvor-
kommen.
Ein rein dynastisches Interesse des Hauses Hohenzollern, entwickelte
der Constitutionnel vom 42. Juli, wie die spanische Candidatur des Prin-
zen Leopold wird die deutsche Nation nicht berühren; „die deutschen Staa-
ten werden nicht daran denken, auf diesen Fall die Allianzverträge von
1866 und 1867 anzuwenden.“
Die Rechnung war darauf gebaut, daß Preußen auf der Candidatur
bestehen werde, eine abgeschmackte Rechnung, da Preußen als Staat die