Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

Der deutsch-frantösische Prieg. 529 
Sache'so wenig anging, als irgend ein Ministerwechsel in einem neutralen 
Lande. Mit dem Rücktritt des Prinzen und den nun hervortretenden 
neuen Forderungen Frankreichs änderte sich die Lage völlig. und nun zeigte 
sich, daß die Zeiten des Rheinbunds vorüber seien. Am 46/17, Juli 
begann nicht nur im norddeutschen Bunde, sondern auch in Hessen, Baden, 
Württemberg und Bayern die Mobilmachungz die förmliche Anerkennung 
des Bündnißfalls erfolgte ein paar Tage später aus Stuttgart und 
München mit Zustimmung der Kammern und unter dem Enthusiasmus 
des Volks. 
„Trotz dieser empfindlichen Enttäuschung versprach die Regierung den 
üddeutschen Staaten die altererbten Sympathieen Frankreichs zu bewahren, 
mit Ausnahme Badens, dem auf Grund der infamen Lüge, daß es Spreng- 
kugeln bei seinen Gewehren eingeführt, angekündigt ward, es werde ver— 
brannt, vernichtet werden, wie einst die Pfalz unter Ludwig- XIV, felbst 
die Frauen hätten auf Schonung nicht zu rechnen. 
Der begeisterte Eintritt Süddeutschlands in den deutschen Krieg ver- 
schob sofort den ganzen Kriegsplan des Feindes; es fragte sich nun, ob 
die größere Naschheit der Bewegung auf französischer Seite diesen bedeuten- 
den Mißerfolg ausgleichen würde. 
Auf einen Ueberfall hatte es Frankreich von vorneherein abgesehen. 
Vier Jahre hatte es mit Macht gerüstet, ein einziger Gedanke hatte alle 
Handlungen seines Systems erfüllt, der Gedanke, den verhaßten Feind im 
Augenblick zu überrumpeln, da er sich des Friedens am sichersten hielte 
und dann mit ein paar kurzen, wohlgezielten Schlägen die Entscheidung 
zu erjagen. Genau so geschah die Einleitung zum Kriege. Der Bruch 
ward an den Haaren herbeigezerrt, damit der Gegner gar nicht zur Be- 
sinnung komme. Nicht ein Regiment auf deutscher Seite war marschfertig, 
als die französischen Heeresmassen bereits über Hals und Kopf nach den 
Grenzen eilten und das „Rheinheer", mit seinem afrikanischen Barbaren- 
gesindel voran, sich zum Sprung fertig machte in ein wehrlos mitten in der 
Erntearbeit überfallenes Land. Dieser Plan lag von Hause gus in der 
Natur der Sache, die unerwartete Entscheidung der Südstaaten, auf deren 
Neutralität man gerechnet, machte ihn doppelt und dreifach zur Nothwen- 
digkeit. So wollte denn auch der Kaiser, wie er nach Sedan öffentlich 
zugestand, mit 250,000 Mann bei Maxau über, den Rhein gehen, die 
Südstaaten zur „Neutralität, vielleicht gar zur Heeresfolge nöthigen, durch 
den Glanz eines ersten Erfolgs. Italien und Oesterreich in die Allianz 
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