Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

530 Kebersicht der Ereignisse des Tahres 1870. 
mit fortreißen und so den Preußen mit ebenbürtigen, wenn nicht über- 
legenen Massen gegenübertreten. Aber dieser ganze im tiefsten Geheimniß 
angelegte Plan wurde zu Wasser, der Sprung nach Süddeutschland zerfolgte 
nicht, und die großartige Offensive verpuffte ##in## der lächerlichen Heldenthat 
vom 2., August, wo ein kleines Häuflein Preußen durch drei französische 
Divisionen nach mehrstündigem Kampfe von dem Exerzierplatz“ oberhalb 
Saarbrücken und aus dem Dorfe Arnual verdrängt ward.““. 
„Louis — schrieb der Kaiser an die Kaiserin — hat die Feuer- 
taufe erhalten, seine Kaltblütigkeit hat viele Soldaten bis zu Thränen ge- 
rührt.“ Durch ganz Frankreich ging eine „Explosion“ allgemeiner Freude, 
und in Metz ward der Kaiser mit einer Illumination empfangen, 
Was die französische Presse als die „ feste Zusage des Sieges" 
pries, war ein Theaterceup gewesen, dem die Katastrophe soforb auf dem 
Fuße folgen sollte. 
Die deutsche Gegenrüstung offenbarte von Anfang an und mit jedem 
Tage mehr die vollständige Ueberlegenheit unserer Heeresverwaltung. Die 
lang hingestreckte Grenze von Basel bis Saarbrücken war von jeder un- 
mittelbaren Vertheidigung fast entblößt, jeden Augenblick wart ein Naub- 
anfall zu gewärtigen, dem Stunden weit in's Land hinein kein wirksamer 
Widerstand geleistet werden konnte, als am 16. Juli die „planmäßige“ 
Mobilmachung begann. Wie ein Riese mit majestätischer Ruhe sich #erhebt, 
so, ohne eine Spur von Ungeduld, von Geräusch und Ueberstürzung, ging 
die Bewaffnung und Ausrüstung von einer Million deutscher Krieger ihren 
sicheren Gang. Binnen 10 Tagen standen bereits 600,000 Mann nord- 
und süddeutscher Truppen marsch= und schlagfertig bereit. Der strategische 
Aufmarsch selber, der mit Hilfe einer bewunderungswürdigen Verwendung 
der Eisenbahnen, Hunderte von Meilen in denkbar kürzester Frist wie spie- 
lend überwand, war schon Vertheidigung zugleich und Angriff; nach aber- 
mals 10 Tagen standen 9 norddeutsche und 3 süddeutsche Armeecorps an 
der Grenze, des Befehls zum Einmarsch in Feindesland gewärtig. Wo 
sie standen, wohin sie wollten, wußte Niemand außer denen, die es wissen 
sollten. Insbesondere der Feind wußte schlechterdings gar nichts davon, 
und so blieb es auch bis zum Ende des Kriegs. Der Gefangene von 
Sedan klagt nicht umsonst über den „schrecklichen Schleier“ von Cavallerie, 
hinter dem die Weisheit Moltke's operirte. 
Dem Wunder dieser Rüstung und dieses Aufmarsches entsprach die 
Leitung der Action selber.
	        
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