Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

558 AUebersicht der Greignisse des Fahres 1870. 
Mehrforderungen für das Militärbudget, das Folkething ebenso entschieden 
bei seiner Ablehnung. In Folge dieses Confliktes nahm das ganze Mini- 
sterium am 19. Mai seine Entlassung. Einer schweren Verlegenheit sah 
sich die neue Verwaltung: Holstein-Holstenborg gegenüber als der Anfall 
Frankreichs nguf Preußen die lang ersehnte Aussicht eröffnete, die schleswig- 
sche Frage, von der sechs lange Jahre in jeder Thronrede und bei jedem 
Festessen die Rede gewesen war, an der Seite eines mächtigen Verbündeten 
wieder aufzunehmen; während die Unzulänglichkeit der eignen Streitkräfte 
und noch mehr die gebieterischen Rathschläge. RNußlands und Englands zur 
thatlosen Neutralität nöthigten. 5#1½1. 
Von all den windigen Allianzplänen, mit denen das französische 
Ministerium des Leichtsinns in den Krieg getaumelt war, schien keiner auf 
festeren Grund gebaut, als der, der auf Dänemark als eifrigen und schon 
seiner Lage und Flotte wegen unschätzbaren Verbündeten rechnete. Hattens 
die Dänen nicht geschworen, als sie im August: 1867, ein paar namenlose- 
französische Abgeordnete und ein Dutzend noch namenloserer Journalisten 
zu einem Festbesuche nach -Kopenhagen preßten und sich das ganze officielle 
Dänemark, die Exminister an der Spitze; buchstäblich vor ihnen in den 
Staub warf, daß sie, wie Orlg Lehmann sagte, „immer in den Fußstapfen 
der französischen. Civilisation gewandelt" seien? Jetzt oder nie mußte 
Ernst gemacht werden mit diesen Betheuerungen. Am 1. August kam der 
Herzog von Cadore nach Kopenhagen, um die Dänen beim Wort zu neh- 
men und hinter ihm dampfte das Panzergeschwader des Viceadmirals 
Bouöt-Willaumez durch die Nordsee in das Skager Rack. Welche Hoff- 
nungen hatte man in Paris auf diese Expedition nach „Ia’ Baltique“ ge- 
setzt! Noch im Dezember 1870 erzählte der Moniteur universel, das 
Organ Gambetta's, seinen Lesern, wie ganz anders Alles gegangen wäre, 
wenn das Kaiserreich gewußt hätte; was es mit seiner Flotte anfangen 
mußte: Dänemark lechzte nach Krieg an Frankreichs Seite. „Eine Sub- 
scription für verwundete Franzosen hatte in wenig Tagen 80,000 Frcs., 
eine solche für die Deutschen nur 1800 ergeben. Fast die ganze dänische 
Presse predigte glühend Krieg und Rache. Wir hatten da zeeinen Verbün- 
deten, der bereit war, dem wir nur die Hand zu reichen brauchten. Trotz 
aller bisherigen Fehler hätte vielleicht dieser Verbündete genügt, den Er- 
eignissen ein ganz anderes Gesicht zu geben. Durch seine Marine, die 
besser in diesen gefährlichen Gewässern zu Hause war, wurde die Landung 
ungemein erleichtert und da Dänemark sofort fast 40,000 Mann ins
	        
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