Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

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Preußen und der norddeutsche Pund. 
— als sjetzt, wenn die in dem bayerischen Lager uns befreundeten national- 
gesinnten Stämme der Franken und der Schwaben, die dort so nützlich wirken, 
abgetrennt wären von Bayern! Es wäre ja ein Gedanke, den man 1866 
hätte haben können, und dessen Verwirklichung, glaube ich, nicht viel im Wege 
stand, wenn man aus den drei Franken einen besonderen Staat hätte bilden 
wollen, um Altbayern auf sich zu reduciren, und Franken etwa irgend einen 
nationalgesinnten Fürsten gegeben hätte, der zum Südbunde oder Nordbunde 
hätte gehören können, das wäre ja gleichgiltig; dann würde, meiner Ueber- 
zeugung nach, der Ueberrest von Bayern, wenn nicht auf immer, doch auf 
Jahrhunderte für die deutsche Einheit verloren gewesen sein. Deshalb, glaube 
ich, thun wir nicht gut, das Element, das der nationalen Entwicklung im 
Süden am günstigsten ist, mit einer Barricre zu umgeben, gewissermaßen 
den Milchtopf abzusahnen und das Uebrige sauer werden zu lassen. Die glück- 
liche Wirkung Badens bisher auf den Süden würde damit verloren gehen. 
Ist aber durch eine Anerkennung dieser Wirkung dieselbe zu erhöhen, ist der 
badischen Regierung daran gelegen, gerühmt zu werden, um in ihrem Eifer 
nicht zu erlahmen, so würde ich mit dem Antragsteller im Lobe Badens wett- 
eifern. Mit der Einverleibung Badens in den Bund würden wir einen fühl- 
baren Druck auf Württemberg und BVayern ausüben. Bei der dort wachsen- 
den Verstimmung wäre leicht zu befürchten, daß ein Rückschlag erfolgte, und 
durch eine voreilige Aufnahme Badens in den Bund die Herbeiführung der 
vollständigen Einigung um fünf Jahre verzögert würde. Wir können ja nicht 
wissen, wie die constitutionellen Verhältnisse in Bayern sich gestalten werden, 
ob dort bald eine Neuwahl bevorsteht oder nicht, ich bin darüber nicht so ge- 
nau unterrichtet, wie der erste Hr. Redner über Baden, aber wenn noch in 
diesem Jahre in Bayern eine Neuwahl stattfinden sollte, wäre es dann nicht 
ein Verlust von wenigstens einer bayerischenWahlperiode, wenn wir der Partei, 
die dort jetzt noch die Majorität hat, irgend einen scheinbar plausiblen Grund 
zu dem Vorwurf einer Pression, übertriebener Ansprüche des Nichtabwartens 
freiwilligen Entschlusses in die Hand gäben, wenn wir für die dortigen Wahl- 
manöver, von denen wir genug und mehr, als ich zu glauben geneigt bin, 
gehört haben, eine solche Handhabe lieferten, wodurch das bayerische Selbst- 
gefühl von Neuem über angebliche Vergewaltigungen durch den Norden auf- 
gestachelt werden könnte? Auf der andern Seite müssen wir die Wirkung be- 
trachten, die die Einverleibung Badens auf das Großherzogthum selbst aus- 
üben würde. Gegen den Westwind würde es allerdings der Bund mit seinem 
Mantel schützen; aber auf die militärischen Möglichkeiten, die der Vorredner 
supponirte, lege ich überhaupt kein so großes Gewicht, daß ich deshalb Baden 
als eine Insel des norddeutschen Bundes hinstellen möchte. Aber wie liegt 
die Sache wirthschaftlich: Wäre es nicht eine Härte, wenn Baden bezüglich der 
künftigen Bildung des Zollvereins nicht mehr die Freiheit der Entschließung 
haben sollte: Würde man uns nicht für hart halten, wenn wir Baden im 
Zollverein behielten und Hessen ausschlössen — ein Fall, zu dem die Wahr- 
scheinlichkeit nicht vorliegt, daß er eintreten wird. (Heiterkeit.) Ich habe nicht 
den Wunsch, ein Land von der geographischen Ausdehnung Badens als eine 
Insel im Zollverein einzuengen. Muthen Sie mir das nicht zu. Käme des- 
halb jetzt an das Präsidium von Karlsruhe aus der Antrag auf Aufnahme 
Badens in den Bund, so würde ich im Interesse des Bundes und Badens 
sagen: „Rebus sic stantibus muß ich den Antrag ablehnen, ich werde Euch 
aber den Zeitpunkt bezeichnen, vo uns Eure Aufnahme im Gesammtinteresse 
Deutschlands und im Interesse der Politik, die wir bisher — ich darf wohl 
sagen nicht ohne Erfolg — durchgeführt haben, angemessen erscheint." Dem 
Antragsteller scheinen unsere bisherigen Schritte zur Einigung nicht zu ge- 
nügen, er will, daß etwas geschehe. Aber unterschätzen Sie das wirklich Ge- 
schehene nicht. Denken Sie zurück an die Jahre vor 1848 und 1864, mit 
wie Wenigem wir damals zufrieden waren. Haben wir im Zollparlament in
	        
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