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Preußen und der norddeutsche Pund.
Im Gegentheil, ich würde den Fall ganz anders beurtheilen, wenn z. B. Bayern
den Antrag auf Aufnahme stellte. Aber das Volk, welches diejenigen Zeitun-
gen liest, die die Nede des Vorredners vollständig wiedergeben, die meinige
aber nur verkürzt, wird den Irrthum glauben. Ich habe nur gesagt: rebus
Ssic stantibus, wie sie jetzt in diesem Augenblicke liegen, gehe es nicht anders.
Vor einigen Jahren, als von Südhessen die Rede war, habe ich erklärt, daß
wir zu seiner Aufnahme in den Bund gerne bereit seien, wenn die großher-
zoglich hessische Regierung den Antrag dazu stelle. Ich will also das gerade
Gegentheil von dem, was der Vorredner mir unterschiebt. Ein solches Ver-
fahren, m. H., ist keine Unterstützung meiner Politik. Wenn Sie es besser
verstehen, als ich, so müssen Sie auch hierher kommen und sich auf diese
Stühle (des Bundeskanzlers und des Bundesraths) setzen, und ich will dann
auf Ihre Plätze dort hintreten, um auf Grund meiner zwanzigjährigen Er-
fahrung meine Kritik zu üben. (Heiterkeit.) Löwe ist für den ersten Theil
des Antrages, nicht aber für den zweiten. Am liebsten aber wäre es ihm,
wenn der Antragsteller seinen Antrag ganz zurückzöge. Auf die innere Po-
litik komme es vor Allem an; hier solle man also zunächst das Nöthige thun.
Die bayerischen Patrioten, gegen welche Hr. v. Blanckenburg sich mit Recht
so entschieden gewendet habe, seien noch bis vor Kurzem die guten Freunde
der preußischen Conservativen gewesen. Der Ultramontanismus in München
sei kaum schlimmer, als der Kryptokatholizismus in Berlin. Redner wünscht
schließlich eine nähere Erklärung des Bundeskanzlers über seine Auffassung
bezüglich der Interpretation der Bündnißverträge. Graf Bismarck: In
militärischer Beziehung seien die Dinge kaum anders zu betrachten, als ob
Baden zum Bund gehöre. Er sei fest davon überzeugt, daß man den süd-
deutschen Staaten vertrauen könne, und daß die Feinde des Nordens und des
Südens dieselben seien. Kantak (Pole) spricht vom polnischen Standpunkt
gegen die Resolution. Er und seine politischen Freunde würden sich der Ab-
stimmung enthalten. Frhr. Nordeck zur Rabenau (Abg. aus Oberhessen)
bemerkt bezüglich Südhessens, daß es da nicht bloß auf die Regierung, sondern
auch auf das Volk und seine Vertretung ankomme, und was diese letztere be-
treffe, so habe sie sich für den Eintritt in den norddeutschen Bund entschieden
ausgesprochen. Die erste Kammer sei allerdings dagegen gewesen, aber die
betreffenden Herren hätten wohl nach den speciellen Wünschen des Hrn. v. Dal-
wigk gestimmt. Auf das Ausland dürften wir nicht sehen; in unserem eigenen
Hause seien wir Herr, und die Nation werde im Nothfalle ihr gutes Recht
mit Gut und Blut zu vertheidigen wissen. Also nur vorwärts; seien wir
einmal in Hessen, so würden wir auch bald nach Baden gelangen! (Bravol)
Großh. hessischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, geh. Leg.-Rath Hof-
mann: Ich wollte nur die Mitglieder der ersten hessischen Kammer gegen
die Unterstellung verwahren, als ob sie sich in ihrer Abstimmung von irgend
einer Seite beeinflussen ließen. v. Kardorff beantragt, den zweiten Absatz
der Resolution also zu fassen: „Der Reichstag erkennt mit freudiger Genug-
thuung in diesen Bestrebungen den Fortschritt zur staatlichen Einigung des
gesammten Deutschlands.“ Damit ist die Discussion geschlossen. Lasker er-
klärt hierauf, daß er seinen Antrag, nachdem derselbe durch die stattgehabte
Debatte seinen Zweck vollkommen erfüllt habe, im Einverständnisse mit seinen
politischen Freunden zurückziehe, und lehnt auch die vom Grafen Bismarck
„jedenfalls nur im Scherz“ geäußerte Meinung ab, daß der Antrag im Auf-
trage Badens gestellt worden sei.
24. Febr. (Sachsen). Schluß des Landtags. Das über die in den
Beschlüssen beider Kammern vielfach bestehenden Differenzen einge-
tretene Ausgleichsverfahren ist meist ohne Erfolg geblieben, so daß
nur wenig ständische d. h. von beiden Kammern genehmigte Anträge
an die Regierung gelangen.