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Preußen und der norddeutsche Pund.
— April. (Preußen). Die Mehrzahl der Welfenkegionäre geht mit Unter-
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stützung des Exkönigs Georg nach Amerika; etwa 200 kehren in
ihre Heimath zurück.
„ (Nordd. Bund). Der Reichstag genehmigt die Consolidation
der BVundesschuld und den Juri]dictionsvertrag mit Hessen.
„ (Preußen). Die Parteien fangen an, sich auf die im
Herbst bevorstehenden Wahlen zum Landtage und zum Reichstage
vorzubereiten. Die erste pregrammmäßige Kundgebung geht ven der
Fortschrittspartei aus, deren Verstand und Ausschuß solgende For-
derungen aufstellt:
Für den Reichstag: I. Herstellung der deutschen Einheit auf friedlichem
Wege; Erweiterung des norddeutschen Bundes zum deutschen Bundesstaate,
deßhalb Ausbildung der Bundesverfassung in freiheitlicher Entwicklung, beson-
ders durch Einführung der Grundrechte und eines verantwortlichen Bundes-
ministeriums in dieselbe, wie durch Gewährung von Diäten an die Abgeord-
neten. II. Verminderung der Militärlast durch Verringerung der Friedens-
armee und Verkürzung der Dienstzeit. Unterstützung aller auf allgemeine Abrüst-
ung in Europa gerichteten Bestrebungen. III. Keine Steuererhöhung, viel-
mehr Verminderung der bestehenden, zunächst durch Beseitigung der die är-
mern Klassen vorzugsweise drückenden Verbrauchssteuern auf nothwendige
Lebensbedürfnisse. IV. Gleiches Recht für Alle! Allgemeines gleiches Wahl-
recht wie im Bunde so in den Einzelstaaten. Gleiche Möglichkeit zur huma-
nen und bürgerlichen Ausbildung durch die freie und unentgeltliche Volks-
schule. Schutz für Leben und Gesundheit der Staatsbürger. Gewährung der
vollen Freiheit und Rechtssicherheit des Vereinswesens. Abweisung jeder
Ausbeutung des Staats für die Sonderinteressen einzelner Gesellschaftsklassen,
mögen dieselben seitens der bisher privilegirten Stände oder Seitens der
socialistischen Arbeiterparteien geltend gemacht werden. Für das Abge-
ordnetenhaus: I. Volles Steuerbewilligungsrecht des Abgeordnetenhauses.
II. Selbstverwaltung in Gemeinde, Kreis und Provinz. Verantwortlichkeit der
Beamten vor dem Richter.
(Preußen). Das Organ Bismarcks, die N. Allg. Ztg., ver-
öffentlicht einen officiösen Artikel über die Nichtausführung des Pra-
ger Friedens durch Preußen und die fortwährend feindselige Stellung
Dänemarks gegen Deutschland, der, weil vollkommen zutreffend,
großes Aufsehen erregt:
„Die neulichen Verhandlungen des dänischen Reichstags über das Marine-
budget und die jetzt noch im Gange befindlichen Untersuchungen dänischer See-
offiziere über die zweckmäßigste Einrichtung der Flotte Dänemarks, müssen in
Verbindung mit der Haltung betrachtet werden, welche Dänemark in den ver-
traulichen Besprechungen mit Preußen über die Ausführung des Art. 5 des
Prager Friedens beobachtet hat. Die aus diesem Artikel abzuleilenden Ver-
pflichtungen Preußens gegen Oesterreich würden sich ohne Schwierigkeiten er-
füllen lassen, Dänemark aber bestand bei jenen Besprechungen auf Abtretung
Nordschleswigs bis zur Linie Flensburg, während es doch kaum zweifeln
konnte, daß eine derartige Nachgiebigkeit Preußens, die Düppel und Alsen
mit umfaßt hätte, weder dem Wortlaut, noch der Intention des Prager Ver-
trags entsprach, und für die preußische Regierung der öfeentlichen Meinung in
Deutschland gegenüber eine baare Unmöglichkeit war. Ueber die Linie Gjen-
nerbucht oder Apenrade hätte sich discutiren lassen. Aus den Debatten des
Reichstags über die Marine leuchtet sehr deutlich die Besorgniß der Dänen