Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

Preußen und der norddeutsche Pund. 75 
durch Gesetz und Vertrag geregelt worden. Durch die Abschaffung der Elb- 
zölle und die Regelung der Flößerei wurde die lang erstrebte Freiheit der 
deutschen Ströme verwirklicht. 
„Die Neihe der Verträge, durch welche die internationalen Beziehungen 
des Bundes-Postwesens auf der Grundlage der Reform geordnet sind, hat 
neuerdings durch die von Ihnen genehmigten Verträge mit Großbritanien und 
den Vereinigten Staaten von Amerika wichtige Ergänzungen erfahren. 
„Die Organisation des Bundesheeres ist abgeschlossen und die Bundes- 
Kriegsmarine ist, Dank den von Ihnen gewährten Mitteln, in einer 
Entwicklung begriffen, welche diesem Zweige der nationalen Wehrkraft eine 
ven Frrechügten Anforderungen der deutschen Nation entsprechende Bedeutung 
verheißt. 
„Der Bundeshaushalt ist auf fester Grundlage geordnet. Die dem 
Bunde vorbehaltene Besteuerung von Verbrauchsgegenständen ist einheitlich 
geregelt, und durch die Stempelabgabe von Wechseln ist eine im Interesse der 
Verkehrsfreiheit liegende Bundessteuer geschaffen. 
„Die Herstellung der gemeinsamen Rechtsinstitutionen, wolche die 
Bundesverfassung verheißt, ist in einem Maß gefördert worden, welches wir 
vor drei Jahren kaum in so nahe Aussicht zu nehmen wagten. Das Gesetz 
über die Rechtshilfe und die auf diesem Gesetze beruhenden Verträge mit 
Baden und Hessen haben, der ihrem Abschlusse nahen gemeinsamen Prozeß- 
ordnung vorgreifend, die Schranken beseitigt, welche die Landesgrenzen der 
Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidung entgegensetzten. Die Aufhebung der 
Zinsbeschränkungen, der Schuldhaft und des Lohn-Arrestes hat in wichtigen 
Beziehungen des volkswirthschaftlichen Verkehrs gleiches Recht geschaffen, das 
Handelsgesctzhbuch und die Wechselordnung sind zu Bundesgesetzen erhoben wor- 
den, und beide, ebenso wie die von Ihnen beschlossenen Gesetze über die Actien= 
gesellschaften und über das Urheberrecht an geistigen Erzeugnissen, unter den 
Schutz eines obersten Bundesgerichtshofs gestellt worden, dessen Wirksamkeit in 
nächster Zukunft beginnen wird. Die erste Stelle in dieser Neihe wichtiger 
Gesetze nimmt aber das gestern von Ihnen und vom Bundesrath genehmigte 
Strafgesetzbuch ein. Die Vereinbarung dieses Gesetzes, durch welches uns das 
große Ziel deutscher Rechtseinheit so wesentlich genähert ist, konnte nur gelin- 
gen, wenn von Ihnen wie von den verbündeten Regierungen der Vollendung 
eines großen nationalen Werkes Opfer an Ueberzeugungen gebracht wurden, 
welche um so schwerer, aber auch um so fruchtbarer, je tiefer die Fragen, um 
deren Lösung es sich handelte, das Rechtsbewußtsein ergriffen. Ich danke 
Ihnen, daß Sie, in der Bereitwilligkeit diese Opfer zu bringen, den verbün- 
deten Regierungen entgegengekommen sind. 
ü„Geehrte Herren! Ich darf die Ueberzeugung kundgeben, daß die Be- 
friedi gung, mit welcher wir in diesem Saale die reichhaltigen Ergebnisse 
gemeinsamer Thätigkeiten überblicken, im ganzen deutschen Land und außer- 
halb der Grenzen desselben getheilt wird. 
„Die großen Erfolge, welche im Wege freier Verständigung der Regierun- 
gen und der Volksvertreter, unter sich und mit einander, in verhältnißmäßig 
kurzer Zeit gewonnen wurden, geben dem deutschen Volke die Bürgschaft der 
Erfüllung der Hoffnungen, welche sich an die Schöpfung des Bundes knüpfen; 
denn sie beweisen, daß der deutsche Geist, ohne auf die freie Entwicklung zu 
verzichten, in der seine Kraft beruht, die Einheit in der gemeinsamen Liebe 
aller zum Vaterlande zu finden weiß. 
„Dieselben Erfolge, gewonnen durch treue und angestrengte Arbeit auf 
dem Gebiete der Wohlfahrt und der Bildung, der Freiheit und der Ordnung 
im eigenen Lande, gewähren auch dem Auslande die Gewißheit, daß der nord- 
deutsche Bund in der Entwicklung seiner innern Einrichtungen und seiner ver- 
tragsmäßigen nationalen Verbindung mit Süddeutschland die deutsche Volks- 
kraft nicht zur. Gefährdung, sondern zu einer starken Stütze des
	        
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