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Preußen und der norddeutsche Vund.
Paris und von der erfolgten Kriegserklärung. In Berlin angekom—
men, befiehlt er sofort die Mobilisirung der gesammten norddeutschen
Streitkräfte, sowie die Einberusung des Vundesraths schen auf den
folgenden Tag, des Reichstags auf den 19. Juli.
16. Juli. (Nordd. Bund). Bundesrath: Die preußische Regierung
legt demselben die Sachlage gegenüber Frankreich vor, und derselbe
erklärt sich mit allen bisherigen Schritten des Bundespräsidiums,
sowie mit der von Preußen kundgegebenen Auffassung der Sachlage
einstimmig einverstanden.
„Aus dem Protokoll des Bundesraths: „Der Vorsitzende er-
klärte: Die Ereignisse, durch welche Europa im Laufe der letzten vierzehn
Tage aus dem Zustand einer seit Jahren nicht erlebten Ruhe zum Ausbruch
eines großen Kriegs geführt ist, haben sich so sehr vor aller Augen vollzogen,
daß eine Darstellung der Genesis der augenblicklichen Lage kaum etwas an-
deres sein kann, als eine Zusammenstellung bekannter Thatsachen. Man weiß
aus den Mittheilungen, welche der Hr. Präsident des spanischen Ministerraths
am 11. v. M. in der Sitzung der constituirenden Cortes machte, aus der
durch die Presse veröffentlichten Circulardepesche des spanischen Hrn. Ministers
des Auswärtigen vom 7. d. M., und aus einer Erklärung, welche Hr. Sa-
lazar y Mazarredo am 8. d. M. in Madrid drucken ließ, daß die spanische
Regierung seit Monaten mit Sr. Durchl. dem Erbprinzen Leopold von Hohen-
zollern über die Annahme der spanischen Krone unterhandeln ließ, daß diese
dem Hrn. Salazar übertragenen Unterhandlungen, ohne Betheiligung oder
Dazwischenkunft irgend einer andern Regierung, unmittelbar mit dem Prinzen
und dessen erlauchtem Vater geführt wurden, und daß Se. Durchl. sich end-
lich entschloß, die Throncandidatur anzunehmen. Se. Maj. der König von
Preußen, welchem hiervon Anzeige gemacht wurde, hat nicht geglaubt, dem
von einem broßjährigen Fürsten nach reiflicher Ueberlegung und im Einver-
ständniß mit dessen Hrn. Vater gefaßien Entschluß entgegentreten zu sollen.
Dem auswärtigen Allte des norddeutschen Bundes, wie der Regierung Sr.
Maj. des Königs von Preußen waren diese Vorgänge vollständig fremd ge-
blieben. Sie erfuhren erst durch das am 3. d. M. Abends aus Paris ab-
gegangene Havas'sche Telegramm, daß das spanische Ministerium beschlossen
habe, dem Prinzen die Krone anzubieten. Am 4. d. M. erschien der kais.
franz. Hr. Geschäftsträger auf dem auswärtigen ünd. Im Auftrag seiner
Regierung gab er der peinlichen Empfindung Ausdruck, welche die von dem
Marschall Prim bestätigte Nachricht von der Annahme der Candidatur durch
den Prinzen in Paris hervorgerufen habe, und er fragte, ob Preußen bei der
Sache betheiligt sei. Der Hr. Staatssecretär erwiederte ihm: daß die Ange-
legenheit für die preuß. Regierung nicht existire, und letztere nicht in der
Lage sei, über etwaige Verhandlungen des spanischen Ministerpräsidenten mit
dem Prinzen Auskunft zu geben. An demselben Tage hatte der Hr. Bot-
schafter des Bundes zu Paris mit dem Hrn. Duc de Gramont eine Unter-
haltung über den nämlichen Gegenstand, welcher auch der Hr. Minister Ollivier
beiwohnte. Der kais. französische Hr. Minister sprach ebenfalls den peinlichen
Eindruck aus, welchen die Nachricht gemacht habe. Man wisse nicht, ob
Preußen in die Verhandlung eingeweiht sei, die öffentliche Meinung
werde es glauben, und in dem Geheimniß, welches die Verhandlung umgeben
habe, ein unfreundliches Verfahren nicht blos Spaniens, sondern besonders
Preußens erblicken. Das Ereigniß, wenn es sich wirklich vollziehe, werde ge-
eignet sein, die Fortdauer des Friedens zu compromittiren. Man appellire
daher an die Weisheit Sr. Maj. des Königs, welche einer solchen Combination
nicht zustimmen werde. Der Hr. Minister hielt es für ein glückliches Zu-