Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

Das deutsche Reich und seine einjelnen Glieder. (April 11—13.) 97 
der Regierung in Folge der Encyelica des Papstes im Staatsmini- 
sterium vorbereitet werde, welche die Aufhebung aller Klöster im 
ganzen Umfange der preußischen Monarchie ausspreche. „Es ist eine 
geradezu verblüffende Energie, welche sich in dieser Wendung des 
Kampfes offenbart."“ 
11. April. (Preußen.) In Kwilcz, einem Nachbarorte von 
Kähme, wird der von der Regierung kraft kgl. Patronats ernannte 
neue Pfarrer Kick, der sich den Gesetzen unterworfen hat, von einem 
geheimnißvoll erschienenen, unbekannten Priester seierlich mit der 
großen päpstlichen Excommunication belegt. 
12. April. (Deutsches Reich.) Augenscheinlich als Ersatz 
für die wiederum verschobene Reise des Kaisers nach Italien zum 
Besuche des Königs Victor Emmanuel gehen der Kronprinz und die 
Kronprinzessin zu längerem Aufenthalte dahin. Die Reise erfolgt im 
strengsten Incognito: eine Begegnung mit dem König von Italien 
bleibt jedoch selbstverständlich nicht ausgeschlossen. 
13.—15. April. (Preußen.) Herrenhaus: Erste Berathung 
des sog. Sperrgesetzes. Die Debatte gestaltet sich als eine höchst be- 
deutsame. Der Ex-Minister Graf zur Lippe, Hr. v. Kleist und ei- 
nige andere feudale Gegner der Regierung und der ganzen bestehenden 
Ordnung der Dinge beharren zwar auf ihrem bisherigen Standpunkt; 
dagegen erklärt Graf Udo zu Stolberg, die letzte päpstliche Encyclica 
habe ihn offen auf die Seite des Staates gestellt, und ebenso Frhr. 
v. Maltzahn, die Encyclica habe ihn mit der tiefsten Entrüstung 
erfüllt, da müsse man sich der prompten Erwiederung durch die Re- 
gierung freuen und für sie gerade vom conservativen Standpunkte 
aus einstehen. Diese Erklärung, welche die Schwenkung des größten 
Theils der bisher grollenden feudalen Partei auf die Seite der Re- 
gierung ankündigt, erfolgt jedoch nicht ohne heftige Angriffe auf den 
Cultusminister Falk wegen seines Verhaltens gegenüber der ortho- 
doxen evangelischen Kirche. Fürst Bismarck nimmt jedoch darauf 
keine Rücksicht und läßt den Cultusminister Falk sich selbst verthei- 
digen, um sofort die ihm dargebotene Hand der Feudalen in folgen- 
der, etwas feltsamen Rede zu ergreifen: 
Fürst Bismarck: „Ich will in diesem Angenblick mehr als Mil- 
glied dieses Hauses, wie als kgl. Staatsminister das Wort ergreifen. Ich 
kann es mir aber nicht versagen, den Ausdruck herzlicher Freude darüber laut 
werden zu lassen, daß ich endlich einmal von der conservativen Seite dieses 
Hauses ein freies, freudiges Bekenntniß zu unserem Evangelium der Refor- 
mation gehört habe. Wöäre dieses Bekenntniß vor Jahren mit derselben Be- 
stimmtheit hier ausgesprochen, hatte dieses Bekenntniß die Beschlüsse dieses 
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