Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

Vas deutsche Reich und seint einjtlnen Slieder. (April 16) 105 
menhang stehen. Wir können den Frieden nicht suchen, ehe unsere Gesetz- 
gebung nicht von den Fehlstellen gereinigt“ it (sehr richtig!), welche sich seit 
1840 in einem übel angebrachten Vertrauen auf Bilisleitsgesühl. von 
der andern Seite, auf Patriotiemus. Wertsal angesammelt haben; Gesetze, 
deren Zweck stellenweise gerade durch diejenigen unwirksam emacht worden 
ist, welche mit der Ausführung derselben betraut wurden; Gcege, welche sich 
mehr edler als praktischer Natur charakterisiren und nach denen das U'laccet. 
abgeschafft, die katholische Abtheilung errichtet wurde. Dies Vertrauen 
hat die Festigkeit, mit der die alten landrechtlichen Bestimmungen und die 
Vorsicht unserer Vorfahren den Staat umgeben hatten, in manchen Bezie- 
hungen gelockert und Bresche gelegt in die für den allgemeinen Frieden 
nothwendigen Institutionen. Diese Bresche muß überschüttet, muß ausgefüllt 
werden. Dann werden wir zu einem Frieden, vielleicht nicht mit dem Cen- 
trum, aber doch mit dem sehr viel mäßigeren römischen Stuhl kommen, und 
wir hoffen ihn dann zu finden. So viel an mir ist, werde ich dazu 
beitragen, den K Ka ampf, den aggressiv au führen wir eine Weile 
enöthigt sind, in die Lesensse- aber in sicheren Verhältnissen, 
Rinnb,. Guleiten und die Aggression mehr der Schulbildung als 
der Politik zu überlassen. (Lebhafter Beifall).) Auf diesem Wege, nach- 
dem der Staat in seiner vollen Souverainetät und Antorität wieder herge- 
stellt sein wird, hoffe ich mit Gottes Hülse den Frieden zu finden, denselben 
Frieden, unter dem unsere Bäter jahrhundertelang in einem starlen Staate 
eintrichtig neben einander gelebt haben. erlaht andauernder Beifall.) 
Ministerpräsident Fürst Bismark (nochmals gegen v. Schorlemer-Alstg: 
Ich hätte nicht geglanbt. daß der Vorredner mit seinen eigenen Glaubens= 
lehren in dem Maße unbekannt wäre, daß er es mir als elwas Ungehener- 
liches vorwirft — indem er mir mit einer geschicklen Wendung die Schuld 
an dem Culturkampfe zuschob, der also nach seinem Zugeständniß für die 
Cultur und gegen die Unkultur geführt wird — daß er es mir als elwas 
Ungeheuerliches vorwirft, von Einem Papste zu behmupten, daß er als seine 
Aufgabe betrachte, die Ausrottung der Ketzer zu betreiben, daß Ein Papst 
diesen ungehenerlichen Satz, daß man den Kehern eine politische Eristen) 
nicht zu gewähren brauche, ausgesprochen hätte. Der Vorredner scheint nicht 
zu wissen, daß alle Päpste Das als ein Dogma lehren. Für den Vorredner 
gibt es keinen Syllabus und keine Encyclica; er wird nächsleus selbst Gesahr 
laufen, wenn es überhaupt noch eine Inquisilion gäbe, als Ungläubiger vor 
den Richterstuhl gezogen zu werden. Wenn man den Vorredner härt, sollte 
man glauben, es habe Syllabns, Inquisition, Dragonaden und Gegenrefor- 
matienen in Wirklichkeit niemols gegeben. Das Vorgehen, das ich schilderte, 
hat überall da Platßz gegriffen, wo die päpslliche Herrschaft uneingeschränkt 
eintrat. Wenn der Vorredner sagt, ich hätte vor Zeilen ein katholisches 
Dogma mit Achlung und Respelt behandelt: w/ds ist auch jetzt noch der Fall, 
aber ich habe auch meine amllichen Pflichten, und meine Achtung vor einem frem- 
den Dogma kann mich niemals meine Pflichten gegen den Staat, den Schutz 
der Gesetze und die Vertheidigung der Freiheiten des Landes, dessen erster 
Diener ich bin, vergessen machen. Der Vorredner hat mir dann vorgehalten, 
weßhalb ich mit der Aufhebung der katholischen Abtheilung, wenn ich sie 
als schädlich erkannt, nicht schneller vorgegangen bin. Ja, ich bin nicht so 
rasch im Einreißen und nicht schuell der Ueberzeugung, daß etwas, was Wur- 
zel gefaßt hat, verwerflich sei; aber dennoch habe ich die Ueberzeugung, daß 
die Wethblihter. Abtheilung. feiue schädliche Institution lange vor ihrer Ab- 
schaffung gewesen sei; sie ist mir schließlich notbwendi aufgedrungen worden. 
bin der Einrichtung der katholischen Abtheilung sogar mit einer gewissen 
Liebe zuerst entgegengekommen, weil der Gedanke ein schöner war, wenn man
	        
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