Da# deutsche Reich und seiue einselnen Elieder. (Juni 10—11.) 139
die Vertreter der Bundesregierungen in die Reichsjustizcommission
in diesem Sinne zu instruiren.
10. Juni. (Preußen.) Abg.-Haus: Der Finanzminister Camp-
hausen erklärt gelegentlich einer Bemerkung des Abg. v. Karsdorff:
er glaube nicht, daß die Regierung das bestehende Freihandelssystem
oder vielmehr gemäßigte Schutzzollsystem verlassen werde, um wieder
zu den Schutzzöllen zurückzukehren: er wenigsteus werde dazu nie-
mals die Hand bieten.
Herrenhaus: nimmt nach einer Rede des Cultusministers Falk
das Petri'sche Altkatholiken-Gesetz in der Fassung des Abg.-Hauses
einfach an und ignorirt die Arbeit seiner eigenen Commission, die
der Vorlage eine total veränderte Gestalt gegeben hatte, vollständig.
Die Regierung, welche sich im Abg.-Hause dem Gesetze gegenüber
völlig passiv verhalten hat, nimmt hier, wo demselben Gefahr droht,
entschieden Partei für die Altkatholiken.
10. Juni. (Preußen.) Der Fürstbischof von Breslau wird
vom Kreisgerichte Birnbaum wegen Androhung und Verfügung der
großen Excommunikation gegen den Propst Kick in Kähmen zu 2000
Mark Geldbuße, event. 133 Tagen Gefängniß verurtheilt.
10. Juni. (Württemberg.) II. Kammer: genehmigt das
Einführungsgesetz zum Reichs-Civilehegesetz.
Der bei der Gelegenheit erwartete Culturkampf bleibt länzlich aus.
Dagegen beschließt die Kammer, die Regierung zu ersuchen, bei der Reichs-
regierung auf einen schleunigen Ausbau des materiellen Eherechts hinzuwirken.
Minister von Mittnacht gibt die gewünschte Auskunft über den Stand
der Frage und erklärt, die Regierung befinde sich mit der von der Kammer
beantragten Bitte ganz auf dem Standpunkte der bayerischen Regierung; fie
werde der Bitte bereitwillig nachktommen. Von Interesse sind die Erklärun-
gen eines katholischen Domcapitulars und eines evangelischen Prälaten. Der
Katholik erklärt, er wolle der Regierung (des Reichs oder des Staates? blieb
unklor) das Recht, so zu handeln, wie sie gethau, nicht bestreiten. Die Kirche
werde auch unter dem neuen Gesetze noch eine größere, wenn auch erschwerte
Aufgabe zu lösen haben; aber sie werde dieselbe mit Liebe zu lösen bestrebt
sein. Ten evangelische Prälat erklärt: Mit der ersten Nachricht von der Ein-
führung der Civilehe sei großer Schrecken unter die evangelische Bevölkerung
gefahren; aber diese Bedenken seien durch die Bemühungen der Geistlichkeit
zerstreut worden und bereits beginne man, dem Neichsestz. alle Gerechtigkeit
wiederfahren zu lassen. Da dürfe man, meint der Abg. Lenz, doch die Be-
ruhigung schöpfen, daß die beiden Confessionen unter dem Reichsgesetze nicht
allzuviel zu leiden haben werden.
11. Juni. (Preußen.) Der Cultusminister erläßt bezüglich
der Aufnahme des jüdischen Religionsunterrichts in den Lehrplan
öffentlicher höherer Schulen eine Verfügung an die Provincial-Schul-
collegien, in welcher es heißt: