Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

Das deutsche Reich und seine einjelnen Glieder. (Juli 20—24.) 155 
setzung durch. Der Entwurf einer neuen Lerfassung d Elsaß= gothringen 
wurde vorläufig zurückgezogen und kam nicht zur Im Ganzen ist 
durch die Vorschläge des n die 2 des Budgets pro 
1876 von 43,915,298 Mark auf 41.,448,298 Mark (ordentliche Ausgaben 
28,643,421. außerordentliche auhen * Mark) herabgemindert, also eine 
noch vom Reichstage zu genehmigende Ersparniß von 2,467,000 Mark er- 
zielt worden. Diese Herabsetzungen beziehen sich auf die Etats der inneren 
Verwaltung, der Forstverwaltung, der indirekten Steuern, der Wasserbau- 
verwaltung und des öffentlichen Unterrichts. 
20. Juli. (Preußen.) Die Bischöfe erklären, das neue Gesetz 
über die Vermögensverwaltung katholischer Kirchgemeinden anerken- 
nen und annehmen zu wollen, zuerst der Fürstbischof von Breslau, 
dann die Bischöfe von Hildesheim, Fulda, Münster rc., selbst der 
Erzbischof von Köln, obgleich derselbe s. Z. gegen dasselbe in seinem 
eigenen Namen und dem der übrigen Bischöfe als den Grundfätzen 
der katholischen Kirche widerstreitend protestirt hatte. Der bisherige 
Grundsatz der Ultramontanen ist damit zweifelsohne durchbrochen, 
immerhin ohne daß die Bischöfe bereits überhaupt an ein Nachgeben 
dächten. In diesem Fall haben sie bloß aus überwältigenden Op- 
portunitätsgründen nachgegeben, lediglich um größere Nachtheile zu 
vermeiden und um sich nicht jeden Einfluß auf die Vermögensver- 
waltung katholischer Kirchgemeinden, selbst in den ultramontansten 
Gemeinden, aus den Händen winden oder schlüpfen zu lassen. Immer- 
hin bleibt dieses erste Nachgeben, dieses erste Sichunterwerfen unter 
ein mit dem canonischen Recht allerdings in flagrantem Widerspruch 
eenn Staatsgesetz eine Thatsache von eminenter Bedentung. 
Auch die halbamtliche „Prov.-Corr.“ befpricht. dieses Verhalten der 
Bischöfe und meint, dieselbe reiche weit über das Kirchenvermögens-Gese 
hinaus. Zum erstenmal äben die Bischöfe hoadshe den Grundfatz au t 
i 8 zur Ausführung der voin Staat einseilig er- 
lassenen Gesetze über kirchliche Angelegenheiten bieten dürfte. Die Zuversicht 
der Regierung, daß die Bischöfe erkennen würden, daß sie ihres Gewissens 
bolber, den die Kirche zerrüttenden Widerstand aufgeben müßten, sei unbe- 
ingt in Erfüllung gegangen. 
24. Juli. (Bayern.) Die allgemeinen Landtagswahlen ergeben 
wirklich, wie vorausgesehen worden war, 79 Ultramontane gegen 77 
Liberale. Die Ultramontanen haben somit allerdings eine Majorität 
errungen, aber eine so kleine, daß sie kaum daran denken können, 
mit dieser den Rücktritt des liberalen Ministeriums zu erzwingen 
und das ganze herrschende politische System im Innern und gegen- 
über dem Reiche über den Haufen zu werfen, zumal da fie selbst 
keineswegs unter sich einig sind. Eine Anzahl bisheriger ultramon- 
taner Abgeordneter ist zwar als zu gemäßigt und daher nicht ganz
	        
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