Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

264 Spanien. (Febr. 26—27.) 
„Sennor! Der Bischof von Jaen beeilt sich, Ew. Majestät ehrfurchts- 
voll zu bitten, die katholische Glaubenseinheit in den spanischen Reichen den 
hundertjährigen Traditionen der Monarchie gemäß und zur Befriedigung des 
gemeinsomen Wunsches aller Spanier wieder beruustel. en. Dem Scharkbblick 
Majestäl und der Weisheit Ihrer würdigen Nathgeber kann die Zweck- 
Sinen dieser Maßregel nicht enlgehen; subiserrnig erscheint es nothwendig, 
für die Nütlichkeit und Unabweisbarkeit der Gewährung der Bitten des Bilt- 
stellers Gründe anzuführen, oder mit Thatsochen übergeugen zu wollen. Die 
Cultusfreiheit wurde in verhängnißvollen und stürmischen Zeiten beschlossen; 
man hat die Stimme von Millionen Kalholiken verachlet, welche in von ihnen 
unterzeichneten Schriften die rorstitusrenten Cortes baten, das Land im Be- 
site #u werthvollsten Juwels zu belassen. Es folgte diesem verfehlten 
Beschluß die BVerwirrung, welche in solchen Fällen unheilvolle Neuerungen 
erzeugen, und sofort wurde die Cultussreihet gedeutet als die Fretheit der 
Unsittlichkeit und des Uebergriffes, indem gleichzeitig die Gotleshäuser, die 
Kirchhöfe und die Heiligkeit der christlichen Ehe entweiht wurden, ohne daß 
der habsüchtige Bli diefer Krämer und Speculanten sich in den Besit irgend 
eines der materiellen Vortheile zu seen vermocht hat, welche sie geträumt 
und sich versprochen haben. Die Gesahren dauern fort, zahlreich sind die 
Conflicte zwischen den beiden Gewalten, der geistlichen und der weltlichen; 
selbst Aufregungen der öffentlichen Meinung finden statt, indem Fälle vor- 
kommen, in welchen den katholischen Kirchhöfen Gewalt bhwiderf ährt, bäufig 
in höhnender Weise und mit Beleidigung heiliger Gegenstände, er und 
Andersgläubige zu beerdigen, sowie solche, welche ubupfertng 5 en sind, 
Selbstmörder 4 öffentliche Sünder, welche ohne Neue in dem Irrthum 
verharren. In meiner Diöcese hat es sich sogar zugetragen, daß ein Kind 
im Namen des Teufels getauft worden ist, nicht ohne Entsetzen der Gewissen. 
Das katholische Volk hofft mit unbeschreiblicher Angst aus ähnlichen Be- 
drängnissen des Geisles befreit zu werden, tief überzeugt, daß Ew. Mojestät 
als katholicher König ohne Verzug und in der geeigneten Form die gerechte 
Maßregel anordnen werde, welche es seufzt verwirklicht zu sehen. Inzwischen 
tragen die Katholiken eine gewisse Furcht, ihre Zustimmung (adhesion) zu 
erklären und zeigen nicht einmal Sympathien zu dem gegenwärtigen Stand 
der Dinge. Und Ew. Mojestät weiß, daß diese Zurückhaltung der Furcht 
an die Oppositionen streift, von welchen keine zu unterschähßen ist. Hiemit 
sollen in keinerlei Weise Proieriptionen erbeten werden, sondern nur eine Ge- 
nugthunung wird erbeten, welche in dieser Hinsicht die allgemeine Unzufrieden- 
heit verschwinden machte. Sennor, V Ew. Majestät der Ruhm zugekom- 
men sein, in Spanien die katholische laubenseinheit wieder hergestellt zu 
haben, und es ist kein Zweifel, daß der König der Könige eine der Beloh- 
nung so würdige Handlung vergelten werde."“ 
26. Februgr. Da im Norden alles wieder in den alten Zu- 
stand zurückgesunken ist, so greifen die Carlisten neuerdings Bilbao 
an und bereiten einen Angriff auch auf das feste Puigcerda. 
27. Februar. Da die Moderados (die alfonsistischen Reactio- 
näre) die Rückberufung der Ex-Königin Isabella nicht zu erzielen 
im Stande sind, so setzen sie wenigstens die Rückkehr der Gräfin 
Girgenti, der Schwester des Königs, durch. 
Die Regierung hebt durch Dekret die nach der September--Re- 
volution am 21. Oktober 1868 proklamirte Lehrfreiheit wieder auf, 
  
 
	        
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