Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

382 Frankreich. (Dez. 12—17.) 
chette, der das Bündniß einer Gruppe seiner Partei mit den repu- 
blikanischen Fractionen abgeschlossen, rechtfertigt seinen Schritt in 
einem offenen Briese: 
„Die Führer des rechten Centrums haben die Republik eingeführt dem 
Könige zum Trot und den Royalisten zum Trotz. Das kann nicht bestritten 
werden. Jetzt, da die Republik gegründet ist, möchten sie dieselbe regieren, 
noch immer dem König und diesmal auch den Neputlikonern. zum Trot, und 
verlangen dafür den Beistand der Royalisten! Ich kann für meinen Theil 
auf eine so unsittliche Politik nicht eingehen. Das Ziel des rechten Centrums 
ist offenbar; der beschränkteste Verstand und das ungeübteste Auge müssen es 
begreifen und sehen. Das rechte Centrum will unter irgend einer Form ein 
neues 1830 aufführen und dieses Jahr ist der Ursprung alles unferen Un- 
glücks. Seine angesehensten Führer tragen den Haß gegen den rechtmäßigen 
Aonag im Busen, und wenn sie in den Senat kämen, wäre es um die erb- 
liche Monarchie geschehen. Nein, ich werde niemals einen Bund mit Männern 
schließen, die sich rühmen, Monarchisten #1 sein, und gleichwohl den König 
zurückgewiesen und die Repnblik begri et haben. Ich kann mehrere von 
ihnen als Collegen lieben, aber ihre Politik weise ich entschieden von mir. 
Ich werde mich nie dazu hergeben, sie m ihren Bestrebungen z zinterstahen 
und ihnen, unter dem Vorwande, daß es die Reltung der Gesell 
zum Schemel zu dienen, mit Hülfe dessen sie leichter ihr Ziel 1t 
könnten. Ich habe lieber offene Feinde, als versteckte Feinde, lieber die- 
jenigen, die uns offen bekämpfen, als diejenigen, welche uns im Stich ge- 
lassen, welche uns am 20. Nov. getäuscht, ihre Scheidung durch den Akt 
vom 25. Februar vollzogen haben und noch beut, auf die Abdankung des 
Königs dringen. Wenig macht es mir Sorge, ob ich mit einigen meiner 
Freunde in den Senat gelange. Die Frage ist eine höhere und politischere. 
Es handelt sich darum, ob die Führer des rechten Centrums, welche den 
strafbaren Akt vom 25. Febr. geleitet haben, jetzt in die Lage gesett werden 
sollen, ihre Hoffnungen zu verbbtrklichen Dies ist der Gedanke, der für mich 
und meine Freunde bestimmend war. Werden wir unser Ziel erreichen? 
Ich boffe es; denn es soll uns an Festigkeit und Entschlossenheit nicht fehlen. 
Dies ist die Erklärung meines Verhaltens. Ich stelle sie vertrauensvoll unter 
das Urtheil meines Vaterlandes und meiner politischen Freunde.“ 
Die Mehrheit seiner Partei (der sogen. Chevauxlegers) ist je- 
doch mit seiner Taktik nicht einverstanden und entsetzt ihn des Prä- 
sidiums der Fraction. Dafür erhält er von Seite des legitimistischen 
Provinzadels zahlreiche Zustimmungstelegramme. 
12. Dezember. Der radicale Gemeinderath von Paris streicht 
alle nicht streng obligaten Cultusausgaben, votirt jedoch die Sub- 
vention von 300,000 Fres. für die Staatsuniversität, nachdem er 
schon 4 Millionen für den Bau der medieinischen Schule gegeben 
hat. Auch verlangt er den Bau eines großartigen Universitäts- 
hauses, worin alle wissenschaftlichen Laienvereine freie Vorträge halten 
und Laboratorien haben können. 
I7. Dezember. Nat.-Versammlung: genehmigt, wenn auch 
offenbar ungern, mit 445 gegen 144 Stimmen die ägyptische Ge-
	        
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