400 Ilalien. (Juni 30. — Juli I.)
30. Juni. Senat: genehmigt seinerseits das Sicherheitsgesetz
in der Fassung der II. Kammer mit 66 gegen 29 Stimmen.
1. Juli. Urtheil des Stadtgerichtshofs von Mantua in der
Angelegenheit der Gemeinde St. Giovanni del Dosso, die sich ihren
Pfarrer selbst gewählt hat und darin dem Bischof von Mantua
muthig widersteht (s. 24. März).
Das Urtheil erklärt, daß weder der Bischof von Mankua, Msigr. Rota,
als solcher, da er das Erequatur nicht nachgesucht hat und daher von der
Regierung nicht anerkannt ist. noch Marchese Cavriana, weil nicht vom Fa-
milienrath seines Neffen und Mündels zur Klage antorisirt, als berechligte
Kläger anzusehen sind. Auch gehören nur zwei der 45 Kläger, in deren
Namen Marchese Capriana ausgetreten, der Gemeinde an. Außer dem po-
litischen Interesse, das dieser Prozeß und seine Verhandlung bietet, ist der-
selbe auch vom jursstüichen Standpunkt aus höchst beachtenswerth. Politisch
wichtig ist, daß das direkle Organ der Regierung, der Staatsanwalt, sich in
seiner langen und sorgföltig studirten Rede entschieden zu Gunsten der Ge-
meinden ansgesprochen und daß die Richter einem nicht mit dem Exequatur
versehenen Bischof jede officielle Berechtigung abstreiten. Juristisch bedeutend
ist, daß das Tribunal sich für competent erklärt hat, indem es sich auf den
Art. 17 des Garantiegesetzes beruft, welcher die bürgerlichen Wirkungen kirch-
licher Handlungen den bürgerlichen Gerichten iberweiste weiter, daß das
Gericht den ersten Arlikel der Verfassung, demgufolge die römisch- katholische
Religion die Staatsreligion ist, wegargumentirt oder doch einschränkt, in-
dem es auf die gleichfalls gewährleistete Gewissensfreiheit hinweist und am
Ende jenem berufenen Artikel implicile die französische Fassung („die katho-
lische Religion ist die Religion der Mehrheit der Franzosen") unterschiebt;
endlich daß es erklärt: die Pfarre gehöre der Gemeinde; diese allein habe
also darüber zu bestimmen.
— Juli. Nach einem officiellen Berichte sind seit 1867 bis
Cnde Juni 1875 in ganz Italien Kirchengüter im Betrage von 480
Millionen verkauft und in Staatsrente umgewandelt worden, in
Rom, wo das betreffende Gesetz erst seit 1873 in Kraft getreten ist,
erst für 7 Millionen.
Die Operation wird noch eine Reihe von Jahren dauern, da die Re-
gierung nicht durch ein allzu großes und gleichzeitiges Angebot den Preis
der Grundstücke herabbrckhen will. Sobald sie aber vollendet sein wird, so
erklärt die Regierung schon jetzt, sollen auch die Güter der wohlthätigen
Stiftungen derselben Zwangsconversion unterworfen werden: „Nach den Un-
tersuchungen, welche Seitens des Ministeriums des Innern angestellt worden
sind, ergeben die Beipthümer der wohlthätigen Stiftungen (opere pie) einen
geringeren Ertrag, als unter gleichen Bedingungen die privaten. Ihre u
wandlung in Staatsrente würde den Slifiungen einen höheren Erkrag. sichern
und ihre Verwollung vereinfachen. Der Fiscus würde dabei keinen direkten
Vortheil haben, aber wohl den indiretten, eine große Anleihe ohne Störung
des Marktes unterzubringen. Ein Theil des Ueberschusses der jährlichen Ein-
nahmen, wie die Umwandlung denselben herbeiführen würde, müßte kapita=
lisirt werden und würde den im Laufe der Zeit steigenden Werth des Grund-
besitzes darstellen.“