Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

428 Die Ichweis. (Juni 4 9.) 
der Ausweisung der katholischen Geistlichen mit dem Schlußantrag 
zu verlangen, daß die gestellte zweimonatliche Frist entsprechend den 
Bestimmungen der Berner Verfaffung betr. Gesetzeserlassungen ver- 
längert werde. 
1. Juni. (Genf.) Der neue Kirchen-Berwaltungsrath von 
Notre-Dame ergreift nach Wegnahme der Siegel und Aufnahme 
eines Inventars, welches jedoch nur noch die Kanzel und die Orgek, 
sowie einige Bänke und Stühle zum Gegenstand hatte, Besitz von 
der Kirche. Die Römischen legen dagegen Protest ein. Die zahl- 
reich versammelte Menge bleibt gleichgültig. 
7. Juni. Zufammentritt der Bundesversammlung zu ihrer 
ordentlichen Sommersession. In beiden Räthen werden, übungs- 
gemäß, die bisherigen Bicepräsidenten ohne Wahlkampf zu Präsi- 
denten gewählt, im Nationalrath Stämpfli von Bern mit 60 von 
71 Stimmen, im Ständerath Ringier aus Aargau einstimmig. Da- 
gegen entspinnt sich bei der Wahl der Vicepräsidenten ein heftiger 
Wahlkampf, namentlich im Ständerath, wo dem Liberalen Numa 
Droz aus Neuenburg der Ultramontane Schaller von Freiburg ent- 
gegengestellt wird, der jedoch trotz aller Anstrengung seiner von ei- 
nigen protestantischen Conservativen unterstützten Parteigenossen im 
achten Wahlgang mit 14 gegen 16 Stimmen unterliegt. Nach dieser 
Wahl zu schließen, ist auch die Mehrheit des Ständeraths zu Con- 
cessionen gegen die Ultramontanen nicht geneigt. 
Der Bundesrath theilt der Bundesversammlung mit, daß die 
Berner Regierung ihm den Recurs gegen die von ihm verfügte Auf- 
hebung der Ausweisung der renitenten katholischen Geistlichen aus den 
jucassischen Amtsbezirken angekündigt und den Antrag gestellt habe: 
1) Es sei der betreffende Bundesrathsbeschluß zu cassiren: 2) jeden- 
falls seine Vollziehung zu fuspendiren, bis die Bundesversammlung 
entschieden haben werde. 
9. Juni. (Genf.) Gr. Rath: George Fazy bringt neuer- 
dings einen Gesetzesvorschlag über Trennung von Kirche und Staat 
ein, dahin gehend, daß jeder Cultus sich nach dem Vereinsrechte frei 
organisiren kann, die Gemeinden über die Kirchen wie über anderes 
Gemeindegut verfügen und sie der Mehrheit eines Cultus zutheilen 
können. Die Verweisung des Vorschlages an eine Commission wird 
jedoch mit 61 gegen 26 Stimmen verworfen und nach langer Dis- 
cussion über Verschiebung auf die nächste Sitzung mit 44 gegen 12 
Stimmen unbestimmte Verschiebung beschlossen.
	        
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