Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

430 Die Ichweis. Juni 16—17.) 
seht zu gebrauchen. 3) Die öffenlliche Bußfeier, bestehend in der Gewissens- 
erforschung, dem allgemeinen Sündenbelenntniß, dem Renegebet und der Los- 
sprechung, ist zur Vorbereitung auf die hl. Communion genügend. 4) Das 
Recht in die Ehe zu trelen, steht dem Geistlichen als solchem unveräußerlich frei. 
— Juni. (St. Gallen.) Gr. Nath: schließt seine Berathungen 
einer Revision der Verfassung. Die Artikel über das Verhältniß des 
Staates zur Kirche und über die Schule werden sehr präcis im 
Sinne vollfländiger Staalehobeil auch über die Kirche bezüglich 
ihrer äußeren Verhältnisse gefaßt trotz der Opposition der Ultra- 
montauen. Am heftigsten indeß bekämpfen diese den Artikel, welcher 
den Gemeinden das Recht einräumt, ihre Pfarrer selbst zu wählen 
und auch abzusetzen. 
16. Juni. Ständerath: genehmigt seinerseits die neuc Luzerner 
Verfassung, aber auf den Antrag der vorberathenden Commission 
mit dem Zusatz: 
„In Erwägung, daß laut Art. 27 der Bundesverfassung, die Staats- 
behörde jedes Kantons berechtigt und verpflichtet ist, sowohl den privaten als 
den öffenklichen Primarnnterricht, der obligatorisch ist und genügend sein soll, 
zu leilen, mit dem einzigen Unterschiede, daß dieser Unterricht in den öffent- 
lichen Schulen unentgeltlich und nichtconfessionell ertheilt werden muß, wäh- 
rend diese beiden Bedingungen dem Privatunterrichte nicht auferlegt sind; 
daß somit der Art. 3 der Luzerner Verfassung nicht die Wirkung haben kann, 
in irgend welcher Weise dieses Recht und diese Pflicht der Staatsbehörde zu 
beschränken.“ 
17. Juni. Nationalrath: Debatte über die Garantie der neuen 
Lugerner Verfassung: es wird mit 64 gegen 28 Stimmen beschlossen, 
den Zusatz zu der Garantie noch etwas schärfer zu fassen, womit sich 
der Ständerath einverstanden erklärt. 
Die ultramontane Mehrheit des Luzerner Gr. Rathes hatte dem Ar- 
likel 3 der neuen Verfassung eine Fassung gegeben, welche die Staatshoheit 
gegenüber den Privatschulen zu Gunsten der Kirche auf ein Minimum be- 
schränkle. Sie räumte nämlich gegenüber privaten Primarschulen den Staats- 
behörden nur die Verechtigung ein, sich darüber zu vergewissern, daß auch in 
den Primarschulen das Lehrziel der öffentlichen Schulen erreicht werde. In 
dieser Beschränkung der Rechte des Staates auf dem Gebiete des Volksschul- 
wesens erblickte man eine Verletzung des Art. 27 der neuen Bundesverfassung, 
welcher sagt: Die Kantone sorgen für genügenden Primarnnterricht, welcher 
ausschließlich unter staatlicher Leitung stehen soll; derfelbe ist obligatorisch 
und in den öffentlichen Schulen unentgeltlich; die öffentlichen Schulen sollen 
von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- 
und Gewissensfreiheit besucht werden können. Es lag nunmehr die Frage 
vor, ob die Definirung des Verhältnisses des Staates zur Privatschule in 
der Verfassung von Luzern im Einklang stehe mit der entsprechenden Bestim- 
mung des Art. 27 der Bundesverfassung, oder ob dies nicht der Fall sei. 
Der Bundesrath bejahte diese Frage, von der Ansicht ausgehend, daß der 
Staat der privaten Primarschule gegenüber wirklich kein weiteres Recht zu 
beanspruchen habe, als das Recht zur Constatirung der Erreichung des Lehr- 
  
 
	        
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