Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

Die Schmeizj. (Juni 2. — Juli 1.) 431 
Fieles der öffenllichen Schulen. Im Schooße der beiden Näthe der Bundes- 
versammlung gelangle man aber an der Hand des Wortlantes der einschlä- 
gigen Tersasßesigzbehiimm zu andern Anschauungen als der Bundesrath. 
Der Stönderath nahm in stinem ersten Entscheide in die Motivirung des 
Garantiebeschlusses betreffend die Lugerner Verfassung eine Interpretation des 
. 27 der Bundesversassung auf. nach welcher die Stoalsbehörde jedes 
Kantons berechtigt und verpflichtet ist, sowohl den privaten, als den öffent- 
lichen Primarnnterricht, der obligatorisch ist und genügend sein soll, zu leiten. 
wobei der private Unterricht sich vom öffentlichen nur darurch unterscheidttt, 
daß er nicht, wie dieser, unentgeltlich und igteonfesionel ertheilt werden 
muß. Der Nationalrath seinerseits saßte diese eiwa über den in Frage 
liegenden Gegenstand hinausreichende, obschon wohl an sich gang richtige 
T—Finin zusammen in den Sat, daß nach Art. 27 der Bundesverfassung 
der gesammte Primarunterricht ausschließlich unter staatlicher Leilung stehen 
müsse. Der Ständerath hinwieder trat nachlräglich der Molivirung 145 Ga- 
rantiebeschlusses betreffend die Lugerner Verfassung durch den Nationalrath 
bei und Art. 27 der Bundesverfassung ist demnach durch Bundesbeschluß 
anthentisch dahin interpretirt, daß der gesammte Primarunterricht in der 
Schweiz ausschließlich unter slaaklicher Leitung stehen soll. Der Zusob lautet 
nunmehr: Die Garantie wird ausgesprochen in Erwägung: daß lant Ar- 
tilel 27 der Bundesverfassung der gesammte Primarunterrcht unter staaklicher 
Leitung stehen soll, somit der Art. 3 der Luzerner Verfassung nicht die Wir- 
kung haben kann, jene Vorschrift in irgend einer Weise einzuschränken; daß 
Art. V. zweiler Absatz dieser Verfassung, die durch Art 49 der Bundesver- 
sassung gewährleistete Glaubens, und Gewissensfreiheit in keiner Weise becin- 
trächtigen kann; daß diese Verfassung im Uebrigen nichts enthält, was den 
Borschriften der Bundesverfassung zuwider wäre: daß dieselbe die Ansübung 
der politischen Rechte nach republilanischen Formen sichert; daß sie von dem 
Volke des Kantons Luzern angenommen worden ist und üuf Begehren der 
absolnten Mehrheit der Bürger rrvidirt werden kann.“ 
—29. Juni. Nationalrath: Debatte über den Recurs der 
Berner Regierung gegen den Beschluß des Bundesraths vom 31. 
Mai betr. Aufhebung der Ausweisung der katholischen Pfarrer des 
Jura. Die Commission beantragt, dem Verlangen der Berner Re- 
gierung zu entsprechen und die der Berner Regierung gestellte zwei- 
monatliche Frist bis Mitte November zu verlängern, da das von 
ihr dem Gr. Rathe dieses Kantons vorgelegte Gesetz gegen Störung 
des religiösen Friedens nach den Vorschriften der Berner Verfassung 
nicht vor Ende Oktobers gültig zu Stande kommen könne. Die 
Hoffnung der Ultramontanen auf eine Spaltung der liberalen Ma- 
jorität und einen Bruch zwischen dem Bundesrath und der Regie- 
rung von Bern werden vereitelt. Der Nationalrath tritt mit 96 
gegen 29 (ultramontane) Stimmen dem Antrag der Commission 
bei und die Mehrheit des Bundesraths erklärt sich damit einver- 
standen. 
1. Juli. Ständerath: tritt dem Beschlusse des Nationalraths 
vom 29. Juni betr. Bern mit 24 gegen 16 Stimmen bei.
	        
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