Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

Belsien. (Mai 17—25.) 447 
freunde, im Interesse des Landes die vorgeschlagene Tagesordnung gutzuheißen. 
Lauter Beifall der Linken solgt diesem ministeriellen Aufruf; Herr Jocobs 
versucht es, seinen Nückzug zu decken, und einstimmig mit 99 Stimmen er- 
solgt das Votum solgender Tagesordnung: „Die Kammer billigt die Er- 
klärungen des Cabinets, pflichtet dem von ihm ausgesprochenen Bedauern 
bei und geht zur Tagesordnung über.“ Nauschender Beifall, in den auch 
die Tribünen einstimmen, folgt der Prorlamation dieses Votume. Mas Herr 
7 re-Orban verlangie, ist aaedtrben, ja noch weit mehr. Die Negierung und 
e Majorität haben den Epistopal und die ultramontane Politik verleugnet. 
17. Mai. Die Inbiläumsprocessionen, die von den Ultra- 
montanen vielsach in geradezu herausfordernder Weise abgehalten 
werden, geben an mehreren Orten, namentlich in Gent, zu argen Er- 
cessen Anlaß. In Folge davon werden sie in Brüssel, Lüttich rc. 
von den Bürgermeistern dieser Städte verboten. 
21. Mai. Der Gerichtshof von Lüttich beschließt, den Anträgen 
des öffentlichen Minisleriums entsprechend, die weitere Verfolgung 
der Untersuchung gegen Duchesne einzustellen. 
23. Mai. Die Regierung übermacht die Acten der Unter- 
suchung Duchesne derjenigen des deutschen Reichs und erklärt endlich, 
dem Begehren derselben entspirchen zu wollen: 
Ohne abjuwarten, daß andere Nationen ihre Strafgesetze ab- 
ändern und ohne ihre Beschlüsse der Bedingung der Gegenseiligkeit unterzu- 
ordnen, hat die Regierung des Königs, über das, was sie versprochen hat, 
hinausgehend, sich entschieden, der Gesehgebung baldigst eine Disposition vor- 
zulegen, nach welcher die nicht angenommenen Anerbieten oder Vorschläge, gegen 
eine Person ein schweres Atentat zu begehen, in gleicher Weise wie die 
Drohung mit einer strengen Correctionsstrafe bestraft werden sollen 
25. Mai. Senat: schließt sich einstimmig dem Votum der 
II. Kammer vom 8. d. Mts. an: 
In der dießfälligen Debatte schließt sich der ehemalige (ultramontane) 
Minister des Auswärtigen Baron d Anet han den bezüglichen vom Finanz- 
minister Malou in der Deputirtenkammer abgegebenen Erklärungen an. 
Gleichzeitig sucht er den belgischen Episkopat gegen die Beschuldigungen zu 
rechtfertigen, daß es derselbe an patriotischem Sinne fehlen lasse, und ver- 
langt Aufklärung über die Lindrrisse welche die Freiheit des Cultus in 
Folge der jüngsten bedauerlichen Vorkommnisse bei Abhaltung von Pro- 
cessionen ersah be. Dolez (von der Linken) bedauert die von den 
lefen. 6t prache und tadelt besonders lebhaft den Hirtenbrief des 
Bischofs von Namur, gibt jedoch zu, daß die Sprache des Klerus in Folge 
des von der Negierung ausgeübten Einflufses eine weniger aggressive gewor- 
den sei. Redner protestirt mit aller Bestimmtheit gegen die Behauptung, 
daß Belgien mehr Sympathie für Frankreich als für Deutschland habe. 
Dolez und d'Anethan beantragen alsdann eine Tagesordnung, wornach der 
Senat unter völliger Billigung der von der #irrung hegebenen Aus- 
führungen und im Anschluß an das entsprechende Botum der zweiten Kam- 
mer zur Tagesordnung übergeht. Der Finanzminister Malou kündigt 
darauf den Gesehentwurf an, wornach das Anerbieken oder der VBorschlag
	        
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