Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

466 Ichweden und Norwegen. (Mai 12. — August 26.) 
12. Mai. (Norwegen.) Schluß des Storthings. 
Derselbe hat dießmal ziemlich geräuschlos gearbeilet. Um so wichtiger 
war die Session für das materielle Wohl des Landes durch die Annahme 
der dänisch-schwedischen Münzconvention, die Einführung des metrischen Maß- 
und Gewichtssystems und durch ziemlich großartige Bewilligungen zur An- 
lage von Eisenbahnen. Diejenige Angelegenheit, die in den letzten Jahren 
Anlaß zum Zwiespalt zwischen dem Reichstag und der Regierung gegeben 
hatte, die Frage wegen der Zulassung der Minister zu den Storthings- 
fibungen, ist dießmal im Storthing gar nicht zur Verhandlung gekommen, 
weil sie, den gesetzlichen Beslimmungen gemäß, eine „#uhende“ ist. Sie wird 
also erst im nächsien Jahre vorgenommen werden und dann ingS , alle 
Anschein nach, zum Nachtheil der Regierung enden, b. h. es wird beschlossen 
werden, daß die Minister den Sitzungen des Storthing beiwohnen sollen, 
und weil ein solcher Beschluß dann dreimal gefatt worden ist, kann die Re- 
gierung nicht weiker Einspruch dagegen erheben, wie dieß bisher geschehen 
ist. Allem Anschein nach wird dieß aber auf die Existenz des Ministeriums 
Stang weiler keinen schädlichen Einfluß üben, da es schon zu wiederholten- 
malen die eclatantesten Niederlagen erlitten hat und ihm mehrere sehr ent- 
schiedene Mißtrauensvota zugeflossen sind, ohne daß es sich viel daraus ge- 
macht hätte. Im übrigen haben die Norweger alle Ursache, mit dem Mi- 
nisterium, welches eine tüchtige Berwaltung #ü, zufrieden zu sein. 
15. Mai — 2. Juni. König Oscar besucht den deutschen 
Kaiser in Berlin und auf dem Wege dahin den König von Däne- 
mark in Kopenhagen. Der König ist von keinem seiner Minister 
begleitet; der Besuch ist wesentlich ein bloß persönlicher. Die poli- 
tische Bedeutung desselben ist trotzdem außer Zweifel: König Oscar 
neigt in seinen persönlichen Sympathien entschieden zu Deutschland, 
während sein Vorgänger entschieden zu Frankreich hielt und Deutsch- 
land feindlich gesinnt war. 
12. Mai. (Schweden.) Schluß der Session des Reichstags. 
Die Frage der Reorgauisation der Armee ist auch in diesem Jahr 
wiederum nicht einen Schritt der Lösung näher gerückt, wenn man nicht eine 
solche darin sehen will: daß es jeßt ziemlich fest stehen dürfte, daß eine be- 
friedigende Lösung dieser Faoße überhaupt weder stattfinden kann noch wird, 
da Schweden nicht die Mittel dazu besitzt. Entweder wird also alles beim 
Alten bleiben, vielleicht mit einigen unwesentlichen Abänderungen, oder 
Schweden wird mit der Zeit ein reines Milizheer, etwa nach schweizerischem 
Muster, erhalten, was übrigens dem Charakter seines Volkes und den ört- 
lichen Verhältnissen des Landes am besten entsprechen dürfte. 
6.—19. Juli. Der König besucht Rußland und den russischen 
Hof in St. Petersburg. Es ist klar, daß König Oscar sich dem 
Dreikaiserbündisse thatsächlich und persönlich so weit anschließt, als 
die Verhältnisse es nur immer erlauben. 
26. August. Zufammenkunft des scandinavischen Juristentages 
in Stockholm.
	        
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