Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

526 Vereinigte Staaten von Nordamerika. (Anf. Sept. — Ok. 12.) 
— September. Auch in der Union macht sich nachgerade das 
Bedürfniß geltend, den ungemessenen Ansprüchen des Ultramonta- 
nismus entgegen zu treten. Präsident Grant selber hält es für an- 
gezeigt, sich gelegentlich einer Versammlung des Kriegervereines der 
Armee von Tenessee sehr energisch gegen jene Ansprüche namentlich 
bezüglich der Schule auszusprechen. 
ü„Wenn wir in naher Zukunft noch einen Kampf auszufechten haben“ 
— so sogt er nach einer Hindeutung auf den letzten Krieg — dann wird 
die trennende Linie nicht die Mason= und Dixons-Linie (die frühere Grenze 
zwischen den sklavenhaltenden und den freien Staaten) mehr sein, sondern es 
wird eine solche sein, die auf der einen Seite Vaterlandsliebe und Bildung, 
auf der andern Aberglauben, Eh aeeg und Unwissenheit aufweisen wird. Es 
ist Zeit. Hand anzulegen an das Werk der hundertjährigen Jubelfeier, welches 
in der Befestigung der Ochrundlage des von unseren Vorfahren bei Lexington 
begonnenen Gebäudes besteht. Laßt uns für die Sicherung des freien Ge- 
dankens, der freien Kal- der freien Presse, der reinen Sitte, d. ungefesselten 
religiösen Gefühls, der Gleichberechtigung aller Menschen ohne Rücksicht auf 
Abstammung, Farbe oder Religion arbeiten; die freien Schulen fördern, dafür 
sorgen, daß kein Dollar, der für sie bestimmt ist, zur Unterstühung einer 
Sektenschule verwendet werden soll, daß weder ein Staat noch die ganze 
Nation andere Anstalten unterhält, als solche, in welchen jedes Kind den 
gewöhnlichen, nicht von atheistischen, heidnischen oder confessionellen (secta- 
rian) Lehren durchsetzten. Schuluntericht erhalten kann; überlassen wir die 
zligiöse Belehrung der Familie und der Kanzel, und holten wir Kirche und 
für immer gelrennt. Mit diesen Voltwerlen werden, so glaub' ich, 
die Schlachen, in welchen sich die Armee von Tenessee bewährt hat, nicht 
vergebens gekämpft sein."“ 
8. Oktober. Eine Entscheidung des Bundes-Obergerichts spricht 
sich gegen das Frauenstimmrecht aus. 
Das Gutachten des Oberrichters resumirt sich dahin, daß zwar Frauen 
unter der Constitution der Vereinigten Staaten Bürger seien, daß aber das 
Recht, zu stimmen, von den einzelnen Staaten verliehen wird und daß, um 
das Stimmrecht auch den Frauen zu verleihen, eine dahingehende ausdrück- 
liche Gesetzerlassung in den einzelnen Staaten nothwendig sei. Da sich nun 
in der ganzen Union schwerlich in irgend einem Staate eine Mojorität der 
Wähler dazu verstehen wird, den Frauen das Stimmrecht zu verleihen und 
letztere auf Grund obiger Euuschedung leine Hülse von der Bundesregierung 
erwarten können, so scheint die Agitation der Frauenrechtler wenigstens in 
der Gegenwart hoffnungslos. 
12. Oktober. Staatswahlen in Ohio, Jowa und Nebrasca. 
Die republikanische Partei siegt in allen dreien, auch in Ohio, wo 
sich der Kampf hauptfächlich um die Frage über Papier= oder Hart- 
geldwirthschaft drehl. Die erstere unterliegt und die Niederlage ist 
um so empfindlicher für die Demokraten, als dieselben den Staat 
erst im vorigen Jahr, und zwar damals mit großer Majorität, der 
Herrschaft der republikanischen Partei entrissen hatten. 
 
	        
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