Uebersicht der polilischen Entwichelung des Jahres 1875. 565
Schwierigkeiten zu überwinden. Das Senatsgesetz namentlich war
unläugbar noch ein schweres Stück Arbeit. Es lag auf der Hand,
daß Monarchisten und Reactionäre alles daran setzen würden, den
Senat so zu organisiren, daß zwischen ihm und einer republikanischen
Deputirtenkammer von Anfang an ein unversöhnlicher Gegensatz
bestände, der diese unter allen Umständen lahm lege, möglicher
Weise aber dem Marschall-Präsidenten zu einem Staatsstreich Ver-
anlassung gäbe, welcher der Republik alsbald ein jähes Ende zu
bereiten im Falle wäre. Die Republikaner ihrerseits gaben zu, daß
der Senat von vornherein dazu bestimmt fei, allfälligen Ueberstürgz-
ungen oder Ausschreitungen der Deputirtenkammer hindernd oder mäßi-
gend einen gewissen Damm zu setzen, erkannten aber, daß es ihre Auf-
gabe sei, zu verhindern, daß von vornherein der Keim eines unver-
söhnlichen Gegensatzes zwischen beiden in die Institution selbst gelegt
werde. Ein Theil der Linken verlangte demnach, daß der Senat aus
demselben allgemeinen Stimmrecht wie die Nationalversammlung
hervorgehe, wenn auch mit Modificationen, die demselben eine mehr
conservative Teudeng sicherten. Der Versuch wurde gemacht, der An-
trag aber von der Nationalversammlung verworfen, da sich hiefür
die alte Majorität momentan wieder zusammenfand. Nun aber
wurde zwischen der Linken und der Gruppe Wallon unterhandelt
und bald kam auch wirklich eine Verständigung auf einer ganz
neuen Grundlage, die den liberalen wie den conservativen Inter-
essen gleichmäßig Rechnung zu tragen schien, zu Stande. Nach
demselben sollte der Senat aus 300 Mitgliedern bestehen, von denen
75 für dießmal von der Nationalversammlung, später aber vom
Senat selber durch Selbstergänzung gewählt werden, 225 aber aus
Wahlcollegien hervorgehen sollten, welche aus den Mitgliedern der
Generalräthe jedes Departements und aus Abgeordneten der sämmt-
lichen Gemeinderäthe desselben zusammengesetzt würden. Diefer Com-
promiß wurde am 24. Februar von der Nationalversammlung mit
der unerwartet großen Majorität von 448 gegen 241 Stimmen der
äußersten legitimistischen, der sog. gemäßigten aber entschiedenen
Rechten und der Bonapartisten angenommen. So weit hatte es die
neue Majorität der Nationalversammlung binnen weniger als einem
Monat gebracht. Die Republik war damit thatsächlich zur Verfas-
sung Frankreichs gemacht. as
Schon vor der Annahme der beiden Gesetze hatte das Cabinet,te
das der neuen Sachlage allerdings nicht mehr entsprach, seine De- i-.