Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

54 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 4—5.) 
richtet sie nunmehr durch denselben Gesandten eine Note an die bel- 
gische Regierung bezüglich des Falls Duchesne (der an den Erzbischof 
von Paris das von diesem zur Anzeige gebrachte Erbieten gerichtet 
hatte, den deutschen Reichskanzler um eine bestimmte Summe Geldes 
zu ermorden), indem sie verlangt, daß die belgische Regierung, wo- 
fern die bestehende belgische Gesetzgebung kein Mittel biete, Duchesne 
dafür zur Verantwortung zu ziehen, für die Ergänzung dieser Lücke 
sorgen möge. 
4. Februar. (Deutsches Reich.) Bundesrath: ertheilt dem 
vom Reichstage beschlossenen Reichscivilehegesetz seine Zustimmung. 
Bei der Abstimmung votiren neuerdings 14 Stimmen, und zwar: 
Königreich Sachsen, beide Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig, 
Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß ä. L. und Schaumburg-Lippe gegen 
das Gesetz, der nach Preußen wichtigste Bundesstaat dagegen, Bayern, 
für dasselbe. 
4. Februar. (Preußen.) Abg.-Haus: Erste Berathung des 
Budgets für 1875. Auf den Antrag Lasker's
 wird beschlossen, nur 
diejenigen Etatsgruppen, gegen welche sich schon jetzt, wie z. B. gegen 
die Gehaltsaufbesserung der Geistlichen im Cultusetat, Widerspruch 
erhoben hat, an die Budgetcommission zu verweisen, den Rest da- 
gegen ohne Vorberathung sofort im Plenum zu behandeln. 
4. Februar. (Bayern.) Der Erzbischof von München erläßt 
einen Fastenhirtenbrief, der ziemlich deutlich gegen den König selbst 
gerichtet ist, indem er sagt, daß „das letzte Jubeljahr 1826 unter 
aktiver Theilnahme des Königs Ludwig I., als eines gläubigen Sohnes 
der Kirche, in würdiger und erhebender Weise begangen werden konnte, 
daß aber leider die gegenwärtige Jubelfeier nicht wie sonst sich ent- 
falten könne“. Die extrem-ultramontane Presse geht noch etwas weiter, 
indem sie geradezu verlangt, daß „die erzbischöflichen Vesuche am 
kgl. Hofe rebus sic slantibus ganz eingestellt würden“. Bei dieser 
Stimmung unterbleibt die Theilnahme des Königs und des großen 
Cortege am Schlusse des 40stündigen Gebets in der Michaelshofkirche. 
5. Februar. (Preußen.) Der Papst erläßt eine Bulle an 
die preußischen Bischöfe, in welcher er die sog. Maigesetze ohne Um- 
schweife für ungültig erklärt. „Um die Pflicht unseres Amtes zu 
erfüllen, erklären wir durch unser Schreiben ganz offen allen, welche 
es angeht, und dem ganzen katholischen Erdkreise, daß jene Gesetze 
ungültig sind, da sie der göttlichen Einrichtung der Kirche ganz und 
gar widerstreiten.“ Die Bischöfe werden daher zum Ausharren in
	        
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