Das deutsche Reich und seine einselnen Glieder. (Febr. 6 —7.) 55
ihrem Widerstande gegen die Staatsgewalt ermahnt. „Denn es steht
geschrieben: man muß Gott mehr gehorchen, als den Menschen.“
(S. d. ganzen Wortlaut unter Rom u. vgl. deutsches Reich 18. Febr.)
6. Februar. (Deutsches Reich.) Der kaiserl. Gesandte am
griechischen Hofe, v. Radowitz, der zur Zeit im auswärtigen Amte
in Berlin beschäftigt ist, wird behufs Führung der Geschäfte der
deutschen Botschaft (in Vertretung des Botschafters Prinzen Reuß,
der wegen eines Fußleidens sich in Amsterdam einer Kur unterzieht)
nach Petersburg geschickt. Der ungewöhnliche Schritt erregt nicht
ohne Grund Aufsehen.
9.—12. Februar. (Preußen.) Abg.-Haus: Erste Lesung der
Vorlagen der Regierung betr. die neue Provincialordnung, die Ver-
waltungsgerichte und die Dotation der Provinzen. Der Abgeordnete
v. Sybel erklärt sich bei dem gegenwärtigen Stande der ultramon-
tanen Agitation in der Rheinprovinz und Westfalen gegen eine Aus-
dehnung der neuen Organisation auch auf diese Provinzen. Virchow
ist der entgegengesetzten Ansicht und stellt dießfalls einen förmlichen
Antrag. Der Minister des Junern, Graf Eulenburg, erklärt sich
dagegen und will der Regierung freie Hand wahren. Der Antrag
Virchow wird jedoch mit 292 gegen 28 Stimmen zum Beschluß er-
hoben. Im Uebrigen ist, als Resultat der Debatte, die Mehrheit
der Volksvertretung mit den Grundzügen der Vorlage wesentlich ein-
verstanden.
Diese Grundzüge, wie sie in der von der Regierung dem Abg.-Haus
übergebenen Denkschrift niedergelegt sind, sind kurz folgende: Der Reorgani-
sationsplan hält daran fest, daß die Kreise, Regierungsbezirke und Provinzen
als Verwaltungsbezirke fortbestehen, in der Provinz Hannover jedoch zwei
Landdrosteibezirke zu je einem Regierungsbezirk vereinigt werden sollen. Es
ist damit die Frage wegen des Fortbestehens der Regierungen (nicht der Re-
gierungscollegien) entschieden. Zur Rechtfertigung dieser Entscheidung wird
in dem Entwurf auf die Bevölkerungszahl fast sämmtlicher Provinzen hin-
gewiesen, welche es nicht zuläßt, aus den Provinzen je einen Verwaltungs-
bezirk zu bilden. Selbst wenn in noch größerem Umfange, als dieß durch die
Kreisordnung von 1872 bis jetzt geschehen ist, die bis jetzt von den Regierungen
wahrgenommenen Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung aus die Kreis-
behörden und Verwaltungsgerichte übergiengen, würde der Geschäftskreis der
Provincialbehörden noch immer ein so großer bleiben, daß eine einzige Be-
hörde, welche die Regiminalverwaltung in der ganzen Provinz üben soll,
ihre Aufgabe zu erfüllen nicht im Stande wäre. Auch würde bei der Cen-
tralisation der Regiminalverwaltung in der Provincialinstanz eine gänzliche
Trennung der ersteren von der Verwaltung der direkten Steuern doch nicht
zu ermöglichen sein, während andererseits die Beseitigung der Regierungs-
bezirke auch die Beseitigung der erst kürzlich eingeführten Bezirksverwallungs-
gerichte zur Folge haben würde. Auch die Annahme, daß nach Aufhebung
der Bezirksregierungen und Uebertragung der Functionen derselben auf den