Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

56 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 9—12.) 
Oberpräsidenten, soweit sie nicht auf die Kreisbehörden übergehen, eine Ver- 
einfachung der Staatsverwallung herbeigeführt würde, wird als nicht zutref- 
fend anerkannt, schon mit Rücksicht auf den Instanzenzug. Aber wenn auch 
die bisherigen Regierungsbezirke blieben, resp. Regierungsbezirke in Hannover 
gebildet werden sollten, so würde doch ihre Organisation eine durchaus an- 
dere werden. Die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung soll sich 
folgendermaßen gestalten: 1) Die Verwaltungsjurisdiction bleibt von der 
eigentlichen Verwaltung getrennt; 2) die Entscheidung aller streitigen Ver- 
waltungssachen erfolgt durch collegialisch organisirte Verwaltungsgerichte in 
geordnetem contradictorischem Streitverfahren; 3) die eigentliche Verwaltung 
wird fortan in allen Instanzen — in der Kreis-, Bezirks-, Provincial- und 
Centralinstanz — durch Einzelbeamte mit voller persönlicher Verantwortlich- 
keit geführt. Sowohl dem Landrath als dem Regierungspräsidenten und dem 
Oberpräsidenten steht aber ein von der Kreis-, resp. Provincialvertretung ge- 
wählter Ausschuß zur Seite, mit dem Berufe, die Verwaltung in denjenigen 
Fällen zu unterstützen, in welchen die Gesetze ihnen eine Theilnahme oder 
Mitwirkung zuweisen. Es sollen also auch in der Bezirksinstanz an die Stelle 
der Regierungscollegien Einzelbeamte treten. Die Collegialverfassung der Be- 
zirksregierungen hatte ihre volle Berechtigung, so lange als derselben die zwei- 
fache Aufgabe gestellt war, zu verwalten und in streitigen Verwaltungssachen 
Recht zu sprechen. Wird aber die gesammte Verwaltungsjurisdiction den Regie- 
rungen entzogen und auf besondere Verwaltungsgerichte übertragen, so ist ein 
triftiger Grund zur Aufrechterhaltung des Collegialsystems nicht mehr vorhan- 
den; vielmehr wird alsdann das bureaukratische Princip, welches nach der 
bisherigen Verfassung die Ansnahme bildete, zur Regel gemacht werden dürfen 
indem die Bezirksverwaltung an Stelle der Regierung dem Regierungspräsi- 
denten übertragen wird, welche derselbe, vorbehaltlich einiger Ausnahmen, 
selbstständig und mit persönlicher Verantwortung zu führen hat. An Stelle 
der Bezirksregierungen tritt, wie bereits oben angeführt, der Regierungspräsi- 
dent an die Spitze der Verwaltung eines jeden Regierungsbezirks, und es 
wird demselben die Verwaltung sämmtlicher zum Ressort der Regierung ge- 
hörigen Angelegenheiten übertragen, mit Ausnahme der Schulsachen und der 
Domänen und Forsten, soweit jene Angelegenheiten nicht auf die Kreisaus- 
schüsse, bezw. Verwaltungsgerichte    und den Oberpräsidenten, übergehen. Der 
Wirkungskreis des Regierungspräsidenten, zu dessen Unterstützung und Ver- 
tretung ein Oberregierungsrath, außer der erforderlichen Anzahl von Räthen 
und Technikern, bestellt wird, wird also die gesammte Regiminalverwaltung, 
die Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten und die Stenerverwaltung 
umfassen. — Das Volksschulwesen, welches der Verwaltungssphäre des Re- 
gierungspräsidenten entzogen wird, wird auf die Provincial-Schulcollegien, 
die Domänen, Forsten und Regalien besondern neu zu errichtenden Behör- 
den übertragen werden. Bei der Ausscheidung des Volksschulwesens ist die 
Rücksicht maßgebend gewesen, daß die Lehrerbildung von dem Provincial- 
Schulcollegium, dagegen die Verwendung der so gebildeten Lehrer für den 
praktischen Dienst von der Regierung ressortirt, daß ferner die moderne Ent- 
wicklung unseres Schulwesens vorzugsweise der Mittelschule zugewendet ist, 
eine Gränze zwischen höheren und niederen Schulen sich in der Praxis also 
nicht mehr scharf ziehen läßt. Die Aufgaben der einzelnen Schulen, deren 
viele sich wesentlich als ein Fortbau anderer darstellen, fließen oft dergestalt 
ineinander, daß ihre Leitung und Beaufsichtigung durch verschiedene Behörden 
nicht nur häufig eines innern Grundes entbehren, sondern auch die Wirksam- 
keit der einzelnen Schulen und ihre Bedeutung für die Gesammtaufgabe der 
Unterrichtsverwaltung schwer schädigen würde. Es soll also das gesammte 
Schulwesen jeder Provinz einer einzigen, unter dem Vorste des Oberprasi-
	        
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