Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 9—10.) 57
denten und der Leitung eines eigenen Direktors zu bildenden, mit den ordent-
lichen technischen, juristischen und Verwaltungskräften auszustattenden colle-
gialischen Behörde unterstellt und die Provincial-Schulkollegien dem entspre-
chend reconstruirt werden. Dabei ist jedoch auf Decentralisation in der Ver-
waltung des Schulwesens gerechnet. Es liegt deßhalb in der Absicht der
Staatsregierung, durch das zu erlassende Unterrichtsgesetz den Organen der
Selbstverwaltung im Kreise, im Bezirk und in der Provinz bedeutsame Be-
fugnisse in Betreff der Verwaltung des Schulwesens einzuräumen, und da-
durch zugleich den für eine ersprießliche Entwicklung des Schulwesens wün-
schenswerthen innern Zusammenhang zwischen den Communalangelegenheiten
der corporativen Verbände des Staats und den einen integrirenden Bestand-
theil derselben bildenden Schulangelegenheiten herzustellen.
9. Februar. (Elsaß-Lothringen.) Auch der Fastenhirten-
brief des Bischofs von Straßburg wird von der Regierung mit Be-
schlag belegt.
10. Februar. (Preußen.) Der Bischof von Münster spricht
in seinem Fastenhirtenbrief die Ueberzeugung aus, daß nur ein Wun-
der das Ende des kirchlichen Conflikts mit der Staatsgewalt herbei-
führen könne; auf ein solches Wunder sei aber nicht zu rechnen.
Interessant ist auch das Eingeständniß, daß „schwere Opfer“ bis
jetzt nur „von Wenigen gebracht“ seien.
10. Februar. (Mecklenburg.) Eröffnung des Landtags in
Malchin. Die Regierungen bringen den im vorigen Jahre geschei-
terten Entwurf für eine Reform der Verfassung nochmals zur Vor-
lage, indem sie an der von ihnen im Landtagsabschied vom 7. März
v. J. ausgesprochenen Hoffnung festhielten, daß die Ueberzeugung
von der Nothwendigkeit des von ihnen verfolgten Zieles doch noch
zu einer Verständigung über die vorgeschlagenen Grundlagen führen
werde.
— Februar. (Deutsches Reich.) 23 deutsche Bischöfe erlassen
eine Collektiverklärung wider die in Folge des Prozesses Arnim ver-
öffentlichte Circulardepesche Bismarcks vom 14. Mai 1872 (s. deren
Wortlaut im Geschichtskalender für 1873 S. 266) über die künftige
Papstwahl.
Das ziemlich weitläufige Actenstück sucht zu beweisen, daß die Depesche
des Kanzlers „ebenso unbegründet in den Voraussetungen, als ungerecht-
fertigt in den Folgerungen“ sei und daß sie mit dem Wortlaute wie mit dem
richtigen, durch den Papst, den Episcopat und die Vertreter der katholischen
Wissenschaft wiederholt erklärten Sinn der Beschlüsse des vatikanischen Concils
entschieden im Widerspruche stehe; nach diesen Beschlüssen sei die kirchliche
Jurisdictions-Gewalt des Papstes eine potestas suprema, ordinaria et im-
mediata, eine auf die ganze Kirche, mithin auch auf jede einzelne Diöcese
und alle Gläubigen sich direkt erstreckende oberste Amtsgewalt zur Erhaltung
der Einheit des Glaubens, der Disciplin und der Regierung der Kirche, und
keineswegs eine blos aus einigen Reservatrechten bestehende Befugniß. Der