70 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 4.)
verbietet. Immerhin wird dadurch eine Trennung von Kirche und Staat
in einer der wichtigsten Beziehungen angebahnt.
Gesetzentwurf: §1 bestimmt: In den Erzdiöcesen (folgt deren
vollständige Aufzählung nebst den Diöcesen), den Telegaturbezirken dieser
Diöcesen, so wie in den preußischen Antheilen der Erzdiöcesen Prag, Olmütz,
Freiburg und der Diöcese Mainz werden vom Tage der Verkündung dieses
Gesetzes ab sämmtliche für die Bisthümer, für die zu denselben gehörigen
Institute und für die Geistlichen bestimmte Leistungen aus Staatsmitteln
eingestellt. Ausgenommen von dieser Maßregel bleiben die Leistungen, welche
für Anstaltsgeistliche bestimmt sind. Zu den Staatsmitteln gehören auch die
unter dauernder Verwaltung des Staates stehenden besonderen Fonds. § 2
lautet: Die eingestellten Leistungen werden für den Umfang des Sprengels
wieder aufgenommen, sobald der jetzt im Amt befindliche Bischof oder Bis-
thumsverweser der Staatsregierung degenüber durch schriftliche Erklärung sich
verpflichtet, die Staatsgesetze zu befolgen. Die §§ 3 und 4 ordnen denselben
Gegenstand für die zur Zeit erledigten Bisthümer Gnesen-Posen und Pader-
born oder die Bisthümer, deren Erledigung erfolgen möchte, bevor der zeitige
Bischof die Staatsgesetze wieder auerkennt. §6 behandelt die Wiederaufnahme
der Leistungen gegenüber einzelnen Empfangsberechtigten, die sich ausdrücklich
und schriftlich zum Gehorsam gegen die Staatsgesetze verpflichten; doch sollen
Verweigerern derselben die wiedergewährten Leistungen aus Staatsmitteln
wieder entzogen werden. § 7 setzt fest, daß die Wiederaufnahme der eingestellten
Leistungen in allen Fällen gerechnet wird vom ersten Tage desjenigen Viertel-
jahres an, in welchem die gesetzliche Voraussetzung der Wiederaufnahme ein-
getreten ist. § 8 behandelt die Verwendung der eingezogenen Dotationen,
und befugt den Cultus-Minister, bei commissarischen Verwaltungen des Bis-
thumsvermögens die Fortgewährung der zur Bestreitung der Verwaltung
erforderlichen Mittel zu verfügen. § 9 hebt die exekutivische Beitreibung be-
züglich der Abgaben an die Bisthümer und an ihre Institute und an Geist-
liche für die Zeit der Dotationseinstellung auf. § 10 stellt die Bedingungen
fest, unter welchen die Erekution im Verwaltungswege wiederzugewähren ist.
§ 11 lautet: Wer in den Fällen der §§ 2 und 6 die schriftlich erklärte Ver-
pflichtung widerruft oder der hier übernommenen Verpflichtung zuwider die auf
sein Amt oder seine Amtsverrichtungen bezüglichen Vorschriften der Staats-
gesetze oder die in dieser Hinsicht von der Obrigkeit innerhalb ihrer gesetzli-
chen Zuständigkeit getroffenen Anordnungen verletzt, ist durch gerichtliches
Urtheil aus seinem Amte zu entlassen. § 12 ordnet die Folgen der Amts-
entlassung und ermächtigt den Cultus-Minister, schon nach Einleitung des
Verfahrens die Einstellung der Leistungen zu verfügen, bei Freisprechung sind
die in Folge Verfügung einbehaltenen Beträge nachzuzahlen. § 13 verweist
die Verhandlung und Entscheidung an den königlichen Gerichtshof für kirch-
liche Angelegenheiten unter Verfahren nach dem Gesetz vom 12. Mai 1873.
§ 14 lautet: Wer Amtshandlungen vornimmt, nachdem er nach § 11 aus
seinem Amte entlassen ist, wird mit Geldbuße bis zu 300 Mark, im Wieder-
holungsfalle bis zu 3000 Mark bestraft.
Den von der Regierung dem Gesetzesentwurfe beigegebenen umfang-
reichen Motiven ist folgende allgemeine Einleitung vorangestellt: „Als König
Friedrich Wilhelm III. in der Allerhöchsten Cabinets-Ordre vom 23. August
1821 der päpstlichen Bulle „de salute animarum“ Allerhöchst Seine könig-
liche Billigung und Sanction mit den Worten ertheilte: „Diese meine könig-
liche Billigung und Sanction ertheile ich vermöge meiner Maiestätsrechte
und diesen Rechten ... Unbeschadet“, sprach Allerhöchst derselbe
einen Grundsatz aus, an welchen jetzt zu erinnern an der Zeit ist. Es ist
der Grundsatz, daß die katholische Kirche des preußischen Staates — so nannte