86 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Marz —.)
„In Erledigung dieses allerhöchsten Auftragze können wir nicht umhin,
unser Erstaunen und unser Bedauern darüber auszurücken, daß Geistliche
in der hohen Stellung der Herren Bischöfe sich Zum Organ einer Behaup-
tung machen konnten, als ob es in Preußen eine Verläugnung des christ-
lichen Glaubens sei, die Befolgung solcher Gesetze zu versprechen, welche in
anberen deutschen und fremden Staaten seit Jahrhunderten und noch heute
von der katholischen Geistlichkeit und ihren Kirchenobern bereitwilligst befolgt
werden und deren Befolgung dort von katholischen Geistlichen mit heiligem
Eide bedingungslos gelobt wird. Nicht minder auffällig und unwahr ist
die Behauptung, daß die Gesetze, gegen welche sich neuerdings der Ungehor=
sam der Bischöfe gerade nur in Preußen gerichtet hat, die Verkündigung
der göttlichen Wahrheiten untersagten. Wenn die Herren Bischöfe andeuten,
daß den Geistlichen anderer Confessionen gegenwärtig Gehaltsverbesserungen
bewilligt würden, welche nicht gleichzeitig den katholischen Geistlichen zu
Statten kämen, so hätte ein oberflächlicher Einblick in die Vorlagen und
Verhandlungen des Landtages genügt, um die Herren Bischöfe selbst von der
unwahrheit ihrer Behauptung zu überzeugen. Ebenso kann den Herren Bi-
schöfen unmöglich unbekannt sein, daß die Vorlage, deren Nichtvollziehung
Sie unter Anwendung verletzender Worte über den Inhalt derselben von Sr.
Majestät verlangen, nur mit allerhöchster Genehmigung an den Landtag ge-
langen konnte. Die Forderung, daß Se. Majestät derselben dennoch, nach
der Annahme durch den Landtag, die Sanktion verweigern sollte, ist um so
befremdender, als die Herren Bischöfe selbst nicht glauben werden, daß die
Dotationen, um deren Zurückhaltung es sich handelte, vom Staate jemals
bewilligt worden wären, wenn bei der Bewilligung den Bischöfen, und Geist-
lichen das Recht hälte vorbehalten werden sollen, je nach päpstlichem Be-
finden den Gesetzen des Staates gehorsam zu sein oder nicht.
Wenn die Eingabe das Einstellungsgesetz eine Quelle unsäglicher Trauer und
Friede störender Verwirrung nennt, so wollen diejenigen unter den Herren
Bischöfen, welche im Jahre 1870 vor der Verkündigung der vaticanischen
Beschlüsse derartige Zustände als die Folge der legteren voraussahen und
mit beredten Worten öffentlich verkündeten, sich selbst fragen, ob Sie nicht
vielleicht durch treue und feste Vertretung ihrer Ueberzengungen unser Vater-
land vor den Wirren und Friedensstörungen zu bewahren vermocht hätten,
welche Sie selbst warnend vorhersagten und die wir jetzt mit Ihnen be-
klagen.“
Die Presse erklärt dies Aktenstück in seiner knappen Schärfe für das
bedeutendste Aktenstück Seitens der Staatsgewalt seit dem Briefe des Kaisers
an den Papst.
— März. (Elsaß-Lothringen.) Das Resultat des dieß-
jährigen Aushebungsgeschäftes für die Reichslande kommt zwar noch
nicht der vorgeschriebenen Quote gleich, zeigt jedoch in sämmtlichen
Cantonen eine bedeutende Steigerung gegen das Vorjahr. Im Canton
Chateau-Salins z. B. stellten sich im Jahr 1874 von 1297 Militär-
pflichtigen nur 439 Mann, also 33,8 Proc., wovon 135, also 30,7
Proc., als tauglich erklärt werden konnten. Im laufenden Jahr da-
gegen erschienen von 1096 Gestellungspflichtigen 525, also 46,9 Proc.,
von denen 249, also 47,4 Proc., als tüchtig erklärt werden konnten.
Demnach weist die Quantität der Erschienenen eine Steigerung von
15,1 Proc., die Qualität derselben von 16,7 Proc. auf.