Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

Das deutsche Reich und seine rinfelnen Elieder. (April K.) 93 
nicht übersteigen und die Vollstreckung wider den Willen des Betroffenen 
weder begonnen noch fortgesetht werden. Die Verweisung in eine außerdeutsche 
Strafanstalt ist unzulässig. Art. 7. Geistliche Strafanstalten, welche im Groß- 
herzogthum errichtet sind oder werden. sind der Staatsaufsicht unterworfen. 
Ihre Hausordnung ist Unserem Ministerium des Innern zur Genehmigung 
einzureichen. Das Ministerium des Innern ist befugt, Vifitationen der geist- 
lichen Strafanstalten anzuordnen und von ihren Einrichtungen Kenntniß zu 
nehmen. Von der Aufnahme eines Kirchendieners hat der Vorsteher der An- 
stalt binnen 24 Stunden der zuständigen Polizeibehörde Anzeige zu machen. 
Im Falle fortgesetzten Ungehorsams gegenüber den Vorschriften der Art. 7 
und 8 kann die Schließung der Anslalt durch das großh. Ministerium des 
Innern verfügt werden. Art. 8. Von jeder kirchlichen Disciplinarentscheidung, 
welche auf eine e Geldstrafe von mehr als 60 Mark, auf Verweisung in eine 
geistliche Strafanstalt für mehr als 14 Tage oder Entfernung aus dem Amte 
lautet, ist Unserem Ministerium des Innern, gleichzeitig mit der Zustellung 
an den Betroffenen, Anzeige zu machen. Tie Anzeige muß die Entscheidungs- 
gründe enthalten. Art. 9. Die nach Art. 3 bis 8 zulässigen Straf= und 
Zuchtmittel dürfen nicht angedroht, verhängt, verkündet oder vollzogen werden: 
1) wegen Vornahme einer Handlung, zu welcher die Staalsgeiehe oder die 
von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuftändigkeit erlassenen Anordnungen ver- 
pflichten; 2) wegen Unterlassung einer Handlung, welche die Staatsgesetze 
oder die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Anord-= 
nungen verbieten; 3) wegen Ausübung oder Nichtausübung öffentlicher Stimm- 
rechte; 4) wegen einer Beschwerde über Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt; 
5) um einen Beamten zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung 
zu bestimmen. Art. 10. Eine von der oberen kirchlichen Behörde im Dis- 
ciplinarwege oder sonst wider den Willen des Betheiligten verfügte Entfernung 
aus dem kirchlichen Amte (Entlassung, Versetzung, Suspension, unfreiwillige 
Emeritirung 2c.) bewirkt den Verlust des mit der Stelle verbundenen Amts- 
einkommens nur unter der Bediungung, daß Unser Ministerium des Innern 
nach Prüfung der von der oberen kirchlichen Behörde vorzulegenden Akten 
anerkennt: daß 1) das nuch Art. 5 erforderliche processualische Verfahren 
Statt gefunden hat, und 2) die getroffene Maßregel weder Gesetze des Staates 
noch allgemeine Rechtsgrundsälhe verlept. Art. I1. Kein Geistlicher darf öffent- 
liche Vorträge in einer Kirche oder in einem anderen, zu religibsen Versamm- 
lungen bestimmten Orte dazu anwenden, um aus Anlaß öffentlicher, nicht 
rein kirchlicher Wahlen auf die Wahlberechtigten in einer bestimmten Partei- 
richtung einzuwirlen. Art. 12. Geistliche, Diener, Beamte oder Beauftragte 
einer Kirche oder Religionsgemeinschaft, welche den zur Abstellung einer Be- 
schwerde über kirchlichen Amtsmißbrauch, oder den sonstigen, in Bezug auf 
ihr Amt oder ihre geistlichen Amtsverrichtungen von Unseren Behörden inner- 
halb ihrer Zuständigleig betrofenen Anordnungen nicht Folge leisten oder 
den Vorschriften in Art. 3—9 und 11 dieses Gesetzes zuwider handeln, werden 
mit Grlostrafen bis zu * Mark, oder mit Haft oder mit Gefängniß bis 
zu einem Jahre und in Wiederholungsfällen mit Geldstrafen bis zu 1500 
Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Zuwiderhandlungen 
gegen die Vorschriften des Art. 5 des Gesetzes betr. die rechtliche Stellung der 
Kirchen und Religionsgemeinschaften im Staate werden in gleicher Weise 
bestraft. Art. 13. Kirchendiener, welche die auf ihr Amt oder ihre geistlichen 
Amtsverrichtungen bezüglichen Vorschriften der Staatsgesetze oder die in dieser 
Hinsicht von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit gelroffenen Anord= 
nungen so schwer verletzen, daß ihr Verbleiben im Amte mit der öffentlichen 
Ordong unverträglich erscheint, können auf Antrag der Sinatebehsne durch 
Urtheil des Gerichtshofs für kirchliche Angelegenheiten (Art. 23) aus ihrem 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.