Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 13—14.) 95
13. März. (Preußen.) Abg.-Haus: Budget für Cultus und
Unterricht: der Minister Falk steht wieder mit einer ganzen Schaar
seiner Geheimräthe auf der Bresche wider zahlreiche Angriffe der
Ultramontanen.
Der ultram. Abg. Dauzenberg eröffnet den Sturm. Er ist mit der
Weise, wie seit 1872 der Religionsunterricht in den Volksschulen ertheilt
wird, sehr unzufrieden. Unter Mühler war dieier Unterricht fast ganz in
den Händen der Geistlichkeit belassen. Falk hat auch hier die Zügel des
Staates straffer angezogen. Die Ultramontanen kennen recht gut die Wichtig-
keit des Volksunterrichts, und der Westfälische Merkur hat es offen ausge-
sprochen, daß sie in dem Kulturkampf einen Preis wollten, und dieser Sieges-
preis sei die Schule. Der Minister Falk erklärt jedoch dem Centrum, als
es zu diesen Worten seinen Beifall kundgibt, diesen Preis würden sie nie
erhalten. Ueberhaupt spitzt sich die Frage wieder einmal in drastischer Weise
zu. Die Erzählung, welche der Minister von einem durch den Kreisschul-
inspector des Kreises Rees abgehaltenen Examen zum Besten gibt, gewährt
nebst den Unterbrechungen durch das Centrum ein anschauliches Bild dessen,
was man auf beiden Seiten will. Der Geh.-Rath Stander schließt seine
Rede mit den Worten: „Wenn es den Herren des Centrume nur um die
ernste, religiöse, sittliche Bildung zu thun sei und nicht vielmehr um die
Herrschaft über die Schule, so könnten sie sich sehr wohl auf den Stand-
punkt stellen, welchen die Regierung einnimmt.“ Löwe und Windthorst-
Meppen sprechen beide sehr erregt, der eine für, der andere gegen die Re-
gierung. Als Hauptbeschwerde hebt Windthorst hervor, daß der Staat be-
rechtigt sei, den Religionslehrer von seiner Stellung zu entfernen. Jetzt von
diesem Landtage sei zwar nichts für die Katholiken zu erwarten, aber schon
die nächsten Wahlen könnten andere Ergebnisse bringen. Auch die „Ger-
mania“ hofft auf die nächsten Wahlen, und zwar knünpft sie ihre Hoffnungen
an das Pronunciamiento der Ultras der Kreuzzeitungsparlei gegen den Für-
sten Bismarck und meint, daß sich aus den Trümmern der früheren conser-
vativen Partei eine Neubildung entwickeln werde.
11. März. (Preußen.) Da der Weihbischof Janiszewski
von Gnesen die freiwillige Niederlegung seines Amtes abgelehnt hat,
so wird gegen ihn das Verfahren auf Amtsentsetzung vor dem kgl.
Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten eingeleitet.
11. Märg. (Preußen.) Abg.-Haus: Beginn der Berathungen
der für den Gesetz-Entwurf betr. die Vermögensverwaltung kathol.
Diöcesen vom Abg.-Hause niedergesetzten Commission. Da das ver-
mittelnde Element in dieser Commission keinen Platz gefunden hat,
so werden voraussichtlich die vom Abg. Dr. Petri eingebrachten, auf
eine Verschärfung des Entwurfs abzielenden Amendements von der
Commission angenommen werden.
14. März. (Preußen.) Abg.-Haus: Beginn der Commis-
sionsverhandlungen über den Gesetz-Entwurf betr. die Geschäfts-
sprache der ebohe r2.
Die ganze erste Sitzung wird mit der Discussion der Principienfrage
ausgefüllt, d h der Frage, ob der preußische Staat endlich die letzte Confe-