100 Das beuisr Neich und seine rinfelnen Glieder. (April 13.)
fortige Erklärung der betreffenden Ressort-Chefs zu verantwortlichen Ministern
ein großes Bedenken nicht haben können. Aber bei den inneren Fragen über-
haupt in ihrer unbestimmten Begrenzung, wo# Rurchaus die Competenzen zwi-
schen Reich und Einzelstaaten nicht fest und unabänderlich hingestellt sind,
kann man die Reichsminister unmöglich zugeben, so lange der Charakter des
Bundes bewahrt werden soll; es wäre denn, daß gleichzeitig die nöthigen
Garantien für die Selbständigkeit der Einzelstaaten ewonnen würden. Ohne
solche Garantieen können die Einzelstaaten, wenn "464 sich selbst nicht um-
bringen wollen- unmöglich in die Bildung von Reichsministerien einwilligen.
habe bei der Berathung der norddeutschen Bundesverfassung und auch
später immer gesagt: wir werden auf die Dauer Reichsministerien nicht ent-
behren können, und ich habe auch damals dafür gestimmt. Aber als Das
geschah bei der Constituirung der Verfassung, haben meine damaligen Frac-
tionsgenossen und ich eine Reihe von Anträgen gestellt, welche die Selbständig-
keit der Einzelstaaten sichern sollten. Jedoch es ist die objective Competenz
nicht in der Art beschränkt worden, wie es unsere Anträge erstrebten; es ist
die Abänderung der Verfassung und die Absorption der Rechte der Einzel-
staaten durch die Reichsverfassung in einem solchen Maße erleichtert, daß jetzt
die Errichtung eines verantwortlichen Ministeriums ohne genügende Garantien
unmöglich geschehen kann, wenn man eben nicht die Einzelstaaten aufgeben
wi u einem solchen Aufgeben werden meine Freunde und ich uns aber
sicher nicht entschließen, weil wir dafür halten, daß nach dem gunzen Cha-
rakter des deutschen Volkes eine föderative Verfassung und nicht die Ver-
fassung eines Einheitsstaates geboten ist. Die Zukunftspolitik des Hrn. v. Ben-
nigsen wird also nicht einfach und glatt zur Wirklichkeit gebracht werden
können, wie der verehrte Herr es anscheinend geglaubt hat, und ich glaube,
daß die Frage der Reichsministerien für sich allein gar nicht in Angriff ge-
nommen werden kann, ohne eine vollständige Aenderung der wesentlichsten
Grundlagen der Neichsverfassung bleichseitig in Angriff zu nehmen. Ob es
an der Zeit ist, Das zu thun, lasse ich dahingestellt. Leicht ausgesprochen
ist es; aber schwer ist es zu thun, und nie wird es gelingen, so lange nicht
in Deutschland generell der Gedanke Platz greist und Geltung hat: die ein-
zelnen Staaten sollen bleiben, was sie sind, und es noll endlich aufhören, sie
von Tag zu Tag in ihren Nechten zu beschränken. Das ist Das, was ich
auf den Vortrag der beiden Herren augenblicklich erwiedern will. Dem etwa
nicht speziell Berührten stelle ich einen generellen Widerspruch entgegen (Heiter-
keit), und bemerke rücksichtlich des zur Berathung vorlicgenden Schreibens,
daß ich alle meine Vorbehalte, die ich gemacht habe, aufrecht erhalten muß,
und gegen jede Consequenz, die daraus gezogen werden soll, protestire. Ich
sesse e nach Dem, was heute verhandelt ist, diese ganze Benachrichtigung nur
ahin auf, daß der Herr Reichskanzler die Grschafte, nach wie unr fortführt
und dafür im vollsten Umfange verantwortlich bleibt, und daß nur
Aenderung eingetreten ist, daß er nicht in eigener Person uns seine arsie
lungen macht, auch nicht eigenhändig Alles schreibt, sondern daß er dies thut
durch die beiden Herren, welche bezeichnet sid und von denen ich hoffe, daß
sie ihre Aufgabe in friedfertigem Sinne lösen werden. (Bravo im Centrum.)
Abg. v. Kleist-Rehow (conferv.): Ich hatte geglaubt, daß die Besprechung
des Schreibens viel einfacher und ruhiger wurhe würde (Zurufe: noch
ruhiger!), daß man die Mittheilung nur mit herzlichem, aufrichtigen Bedauern
über den geschwächten Gesundheitszustand des Reichskanzlers aufnehmen würde.
Se. Maj. der Kaiser hat das Recht, den Neichslaner u berufen, zu bun
lauben und zu entlassen, wie kann man darüber einen Torwurf zazelen, da
die Verhandlungen in den Parlamentsferien eingetreten sind: Es hand uch
fich um einen einfachen Urlaub. Anlangend die Frage der verantwortlichen