Daa bezische Keich und srine einzelnen Elieder. (Mai 3.) 111
kaiserliche Cabinetsordre geschlossen wird. Dieselbe ist von Straß-
burg im Elsaß datirt und vom Fürsten Biemarck gegengezeichnet.
Rückblick: Die Thätigkeit des am 22. Februar ds. Is. zusammen-
getretenen Reichstags ist keine sehr in die Augen springende oder populäre
gewesen. Handelspolitische Fragen von trotz ihrer Wichtigkeit noch keines-
wegs genügend erfolgter Klärung nahmen besonders die zweite Hälfte der
Session nach den Osterferien in Auspruch. Diese noch nicht genügende Klä-
rung zeigte sich namentlich in der völligen Zersplitterung der Ansichten bei
der wichtigsten volkswirthschaftlichen Vorlage, derjenigen über Revision eines
Theiles der Gewerbeordnung. Sämmtliche Anträge der verschiedenen Parteien
und ihrer Führer fielen durch. Die Reicheregierung wird diese verschiedenen
Anträge für künftige gesehgeberische Vorlagen immerhin als „schähbares Ma-
terial“ in einer etwas e#nsthafteren Wortbedeutung als der üblichen ver-
werthen können. Das zwischen Freihandels= und Schupholl Partei geführte
Duell endete wnensschielnn, wenn auch eher zum Vortheil der Freihandels-
Partei; die Reichsregierung wird allem A#nscheine nach im Princip an der
bisherigen Handelspolitik festhalten, in der Praxis aber die verschiedenen in
Frage stehenden Interessen nach Thunlichkeit wahren. Alle diese Fragen sind
zur letzten einfachen Eutscheidung offenbar noch bei weitem nicht reif. Von
den übrigen Vorkommnisen der Session ist, abgesehen von der Kanzlerkrise
und der am 24. April gehaltenen Warnungsrede Moltke's, namentlich die
Verhandlung über den Sib des Reichsgerichtes zu erwähnen. Dieselbe war
vielfach interessant und bezeichnend. Der sächsische Antrag auf Verlegung
des Reichsgerichtes nach Leipzig drang im Bundesrathe mit 30 gegen 28
Stimmen durch; eine kleine Coalition ad hoc hatte Preußen eine Ueberstim-
mung durch die Mittel= und einen Theil der Kleinstaaten zugezogen und zu-
gleich Bayern und Preußen zum ersten Male auf verschiedenen Seiten im
Bundesrath stimmen lassen. Vorlaute Taktlosigkeit stempelte diese Affaire
sofort zu einer „Fürstenverschwörung" gegen das Reich, obgleich von einer
solchen gewiß keine Rede gewesen war, und wäre sie es gewesen, man darüber
taktvoll und nachdenklich hätte schweigen müssen. Die preußische Regierung
kam dadurch in die eigenthümliche Lage, als führende K#n rung des Bundes-
rathes eine ihren eigenen Wünschen widersprechende Entscheidung dem Reichs-
tage zur Bestätigung empfehlen zu müssen; sie entledigte sich dieser Aufgabe
durchaus loyal, wenn auch ohne jonderliche Grazie oder Gei icklichkeit; der
Antrag Lasker mit seiner Consequenz einer Aufhebung des selbständigen säch-
sischen #en Gerichtshofes milderte dann die reuhhche 28 thunlichst.
Fürst Bismarck Heet sich von jener Debatte fern; früher hatte er einmal
von der „rückläufigen Reichssluth“ gesprochen, dieselbe aber offenbar nicht
sonderlich tragisch genommen. Die dann erfolgte, unter der Decke noch fort-
dauernde Reichskanzlerkrisis endete offiziell mit einem glänzenden Vertrauens-
votum des Reichstages für den Kanzler; selbst das Centrum war durch den
Mund Wintthorst's zum Ausdruck eines völligen Vertrauens in die aus-
wärtige Politik des Reiches genöthigt. — In der gegenseitigen Stellung der
Parteien haben die Wahlen und der Verlauf der ersten Session einige be-
merkenswerthe Aenderungen hervorgebracht. Die Nattonalliberalen verloren
die 1874 von der conservativen Partei gewonnenen reichlich 20 Sitze wieder
an dieselbe, zeigten sich eber egeschlofsener als jemals und waren von inneren
Krisen weniger als früher bedroht. Die mit großartiger Prätension in den
Wahlkampf getretene Forcichrittpportei erlitt am 10. Januar eine Niederlage,
quälte sich dann bei den Stichwahlen mit Hülfe aller möglichen Parteien
mühsam beinahe auf die bisher behauptete Stimmzahl hinauf, verlor aber
während der Session an Ansehen und Einfluß. Noch mehr gilt dies von der