Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

114 BH#s besische Reich und seine einzelren Glieder. (Mai 20.) 
montanismus in's Werk gesetzt worden ist, jedenfalls diesem, wenn 
er gelingen sollte, am meisten Nutzen bringen und Frankreich zu 
einem Werkzeuge der römischen Curie machen dürfte. Die „Nordd. 
Allg. Ztg.“ sieht sich daher veranlaßt, einige Stellen aus der Cor- 
respondenz des Reichskanzlers mit dem ehemaligen Botschafter in 
Paris, Grafen Harry Arnim, abzudrucken: 
ürst Bismarck iiribt am 20. Dezember 1872: „Unser Bedürfniß 
ist, von Frankreich in Ruhe gelassen zu werden und zu verhüten, daß Frank- 
reich, wenn es uns den Saichen nicht halten will, Bundesgenossen finde. So 
lange es solche nicht hat, ist uns Frankreich nicht gefährlich, und so lange 
die großen Menarchien Europas zufammenhalten, ist ihnen keine Republik 
gefährlich; dadurch wird aber eine französische Republik sehr schwer einen 
monarchischen Bundesgenossen gegen uns seser Diese meine Ueberzeugung 
macht es mir unmöglich, Sr. Majestät zu einer Aufmunterung der monarchi- 
schen Rechte in Frankreich zu rathen, welche zugleich eine Kräftigung des 
uns feindlichen ultramontanen Elementes involviren würde.“ An einer andern 
Stelle (d. d. 18. Jan. 1874) sagt der Reichskanzler: „Wir wünschen keines- 
wegs, einen Conflict zwischen Frankreich und Ilauen ausbrechen zu sehen, 
weil wir bei einem solchen uns der Unterstützung Italiens nicht würden ent- 
Nehhen können."“ „Allerdings“ — fügte er bald darauf, in einem Erlaß 
im 23. desselben Monats, hinzu — „ist es meine Ueberzeugung, daß wix 
Hem, wenn es von Frankreich ohne Grund, oder aus Gründen, die auch 
zunsert Intrressen berühren, angegriffen werden sollte, nicht hülflos lassen 
önnten."“ Hiezu bemerkt die „Koln. Ztg.“: „Freilich hat die neue franzö- 
z#an Regierung sich beeilt, beruhigende Versicherungen abzugeben. Der Mi- 
nister des Auswörtigen ifi im Amte geblieben, und in den freichlichen Be- 
ziehungen zum Auslande soll sich nichts ändern. Das französische Volk ist 
auch keineswegs geneigt zu einem Kreuzzuge, um den Gefangenen des Vati- 
cans zu befreien. Trotzdem kennen wir die heimlichen Neigungen der fran- 
zösischen Machthaber, und es ist natürlich, daß bei der fortdauernden Feind- 
seligkeit der n Curie gegen Deutschland Fürst Bismarck, der in 
diesem Punkte ohne ) schr aufmerksam ist, von dem egierungswwehse, in 
Frankreich sehr leb berührt ist. Aus Moltke's Rede wissen wir, daß 
unsere hohen zt nicht ganz ohne Besorgniß sind wegen der Anhäu-= 
jün der französischen Truppen und namentlich der Kavalerie im westlichen 
rankreich. Die Ausgleichsmaßregeln wurden von militärischer Seite vor- 
Feichlagen, suchten und fanden aber auch Unterstützung beim Reichskanzler, 
er den Wunsch einer Verstärkung der deutschen Truppen in Elsaß-Lothringen, 
namentlich in Meh, beim Kaiser befürwortete. Indessen standen demselben 
doch manche Bedenken entgegen. Es wurde von anderer Seite geltend ge- 
macht, daß in der Gegenwart und in der nächsten Zukunft ein Friedensbruch 
von Frankreich nicht zu besorgen stehe; der Kaiser wünscht jede Maßregel zu 
vermeiden, die irgendwie beunruhigen toͤnnte, und nebenbei nimmt er Rücksicht 
auf die Kosten, welche eine umfassende Maßregel dieser Art dem ohnehin be- 
ständig anschwellenden Militärbudget verursachen würde. Kurz, der Kriegs- 
minister v. Kameke hat in dieser Sache schon mehr als einmal Vortrag ge- 
halten, aber die Entscheidung Sr. Mazesta ist bisher noch nicht erfolgt.“ 
20. Mai. (Preußen.) Der Cultusminister hat die Anträge der 
städtischen Behörden von Berlin bez. Anstellung von Communalschul- 
Inspectoren, denen auch die staatliche Schulaussicht zu übertragen ist, 
 
	        
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