134 Dos besische Reich und seine einfelnen Gliedrr. (Juli 13—14.)
und die damit zusammenhängenden Bestimmungen über Freizügigkeit und
Ansässigmachung. Eine neue Gesetzgebung hat dem Handwerker= und Arbeiter=
recht und den corporativen Verbänden der Gewerbetreibenden besondere Be-
achtung zuzuwenden. Insbesondere muß auf Berücksichtigung folgender Punkte
bestanden werden: a) Wirksamer Schutz des religiös-sittlichen Lebens der ge-
sammten arbeitenden Bevölkerung (Sonntagsruhe); b) Schutz und Hebung
des Handwerkerstandes durch Wiedereinführung der poschu u der Lehr-
linge nach beendeter Lehrzeit und der Gesellen vor Zulassung zur Ausübung
des Meisterrechtes, Einführung von Arbeits- Vonkrol büchern; c) Erweiterung
der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der in Fabriken' arbeitenden Per-
sonen, Normativbestimmungen für die Fabrikordnungen, Verbot der Beschäf-
tigung jugendlicher Arbeiter unter 14 Jahren in Fabriken, Sch 1 7 der Fa-
milie durch Beschränkung der Frauenarbeit in Fabriken; d) obligatorische
Einführung gewerblicher Schiedsgerichte unter Mitwirkung freigewählter Ver-
treter der Arbeiter und Handwerker und mit executiver Gewalt; c) Förderung
der Kranken-, Hülfs= und Sterbekassen für Gesellen und Arbeiter; s) aus-
reichende Sicherstellung für in ihrem Berufe beschädigte Handwerter und
Arbeiter; g6) Revision der Bestimmungen über Freizügigkeit und Ansässig-
machung unter Wahrung der Interessen der Gemeinden. — Ueberhaupt wer-
den alle Bestrebungen zur Besserung des Looses der arbeitenden Klassen in
so weit unsere Unterstützung finden, als sie nicht den christlichen Grundsätzen
widersprechen."
13. Juli. (Hessen.) Bischof v. Ketteler von Mainz f.
Die Erledigung des bischöslichen Stuhles rückt die Frage des Verhält-
nisses zwischen Staat und Kirche plötzlich auch in Hessen wieder in den
Vordergrund. Die Lage ist trotz der beun kirchenpolitischen Gesetze eine ziem-
lich unst lare, da es deln Verstorbenen so ziemlich gelungen war, sich denselben
zu entziehen, resp. dieselben mit Klugheit und Gewandtheit zu umgehen. In
diesem Augenblick sind von den 154 katholischen Pfarreien des Großherzog=
thums 11 unbesetzt, in 3 fungiren Pfarrverweser. Seit dem 1. Juli 1875,
dem Tage des Inkrafttretens der neuen Kirchengesetze, ist leine Ernennung,
Beförderung oder Versehung innerhalb der kalfax ischen Kirche in Hessen mehr
erfolgt. An Pfarrstellen, in welchen Kapläne fungiren, pastoriren diese nicht
enerfochten von der Staatsgewalt weiter, bei anderweiten Vacanzen hilft
die benachbarte Geistlichkeit in der Seelsorge aus. Die Knaben-Convicte in
Mainz und Dieburg sind den Lirchenaeiehen zum Opfer gefallen, das bi-
seaesiche. Clericalseminar in Mainz ist auf den Aussterbe-Eiat gesetzt, da es
eit 1875 keine Zöglinge mehr ausnehman darf. Die Mitglieder der Orden
und ordensähnlichen Congregationen sind von allen öffentlichen Schulstellen
entfernt. Die Zahl der gerichtlichen Progzeduren gegen Mitglieder des katho-
lise en Clerus ist, wenn auch bedeutend genug, doch immerhin verhältniß-
mäßig schwächer, als in Preußen, da im Heage tag zu den preußischen Mai-
gesetzen die hessischen Aprilgesetze keinen Zwang gegen die bischöfliche Ver-
waltung zur Befseßung vacanter Stellen statuiren.
13. Juli. (Bayern.) II. Kammer: Beide Parteien besetzen
ihre Fractionsvorstände: der Vorstand der clerical-patriotischen Frac-
tion besteht diesmal aus 9, statt wie bisher aus 7 Mitgliedern. In
derselben sind die Extremen mit 5, die Gemäßigten mit 4 Mitglie-
dern vertreten.
14. Juli. (Bayern.) II. Kammer: Auf eine Interpellation
Freytag's (ultram.) bezüglich der von Preußen angeregten Reichs-