Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

Des besische Reich und seine einzelnen Glieder. (Aug. Ende.) 139 
ist aber bedenklich. Gerade vor den Wahlen in Frankreich müßte Fürst Bis- 
marck bestimmt und offen vor ganz Europa gesagt haben, was allein der 
deutsche 1 und sein Kngles dr Autortäh haben zu sagen: Der Sieg 
der sogenannten conservativen Parteien in Frankreich Ebot den Ultramon- 
tanen und dies ist früher oder später Kampf mit Deutschland, das hier eine 
europäische Mission. hat. Ich weiß sehr wohl, daß eine solche Sprache eine 
Einmischung in die Angelegenheiten eines freien Nachbarlandes genannt werden 
würde. Ich weiß aber auch, daß dieser Kampf für Ideen geführt wird, und 
diese kennen keine Landesgrenzen. Ich darf sagen, daß auf so etwas gewartet 
wird vom nördlichsten Norwegen bis zum südlichsten Italien — gewartet 
und gefürchtet. Daß Mac Mahon selbst ohne ein solches Aussprechen — 
lieren werde, kann sein. Aber er muß so verlieren, daß weder er noch 
dr geine Versüch wie den letzten zu wiederholen und zu erweitern den 
Mut 
— August. Augustconferenz der evangelischen Orthodoxen in 
Berlin. 
Dieselbe ist eine alljährlich zusammentretende Vereinigung geistlicher 
und weltlicher Anhänger der lutherisch hyperconfessionellen Richtung in der 
evangelischen Kirche Altpreußens. Abgesehen von bihren thrologischen und 
religiösen Verhandlungen, bei denen namentlich in der Frage der Sonntags- 
seier auch beachtenswerthe soziale Momente zur Geltung gebracht werden, 
verdient die kirchenpolitische Stellung Aufmerksamkeit, welche die von der 
Conferenz vertretene, in bureaukratischen und hierarchischen Kreisen der preußi- 
schen Monarchie noch immer sehr einflußreiche Partei auf's neue bekundet. 
Einerseits sucht sie das vom Kaiser vor kurzem in öffentlicher Erklärung ab- 
gelegte Zeugniß seiner persönlichen Stellung zu christlichen Glaubenssätzen 
für ihre Sache zu verwerthen, andrerseits geht sie darauf aus, unter vor- 
sichtiger Vermeidung offener Renitenz gegen das Kirchenregiment. die liberalen 
Bestimmungen der neuen Kirchenversesste in Betreff der Gemeindevertretung 
unwirksam zu machen und mit Benühung der verbliebenen Machtmittel unter 
#ßerlichem Anschluß an die „positiven“ Unionisten die Herrschaft des strengen 
Confessionalismus in der evangelischen Landeskirche wiederherzustellen. 
Feldzugsplan ist darauf gerichtet, aus den Synoden und Kirchenbehörden die 
freisinnigeren und duldsameren Elemente hinauszudrängen und die Verpflich- 
tung aus die Bekenntnißformeln des 16. Jahrhunderts auf alle Kirchenbeamten 
und Gemeinderäthe auszudehnen. Die Professoren der Theologie an den Uni- 
versitäten, in deren Kreis angeblich solche berufen werden, „welche kein HKal 
daraus machen, daß sie mit dem Glauben und Bekenntniß unserer Kir 
erfallen und dadurch mit ihrem kirchlichen Beruf in Widerspruch gerathen 
nd“ — offenbar ein Hinweis auf Pfleiderer und seine Gesinnungsgenossen — 
sollen unter die Aufsicht der kirchlichen Vertretungen gestellt werden. Einst= 
weilen will man der den angehenden Theologen durch rationalistische Lehrer 
drohenden Gefahr durch Unterstühung sirengeutheriich confessioneller Docen- 
turen an den preußischen Hochschulen entgegenwirken, und eine zu diesem 
Zweck von der Conferenz unternommene Sammlung ergibt sofort am ersten 
Tag eine nicht unbeträchtliche Summe. Der christlichen Obrigkeit wird auch 
die Verpflichtung eingeschärft, die Einführung der confessionslosen Schulen 
zu verhüten und in jeder Hinsicht den „Glauben der Väter“ zu schützen und 
wieder zur vollen Geltung zu bringen. An den in diesem Sinne gefaßten 
Resolutionen haben o auch Superintendenten und Generalsuperintendenten 
  
  
betheiligt, womit jedenfalls bewiesen sein dürfte, daß das preußische Kirchen- 
regiment eines Mangels an Toleranz nach der Klage führenden Seite hin 
durchaus nicht beschuldigt werden kanm.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.