Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

Des beaische Reich und seine einfelnen Glieder. (Nov. 2.) 165 
der neuen Justiggesetze ven 23 Mill. Mark, sodann 15 Mill. Mark für neue 
Universitätebanten, Gymnasialbauten und Seminarbauten, während der Rest 
von 12 Mill. Mark sich auf die übrigen Ministerien vertheilt. Die Summe 
von etwa 77 Millionen hat bloß die Fortführung bereits begonnener Banten 
zum Zwecke, sei 8 durch Verstärkung der Etatsrate für das neue Jahr, 
sei ur Bestreitung der ferneren Raten in den folgenden Jahren. Die 
Fortschrittspartei hat deshalb bereits beschlossen, alle über das Etatsjahr 
hinausreichenden Bewilligungen abgulehnen, und auch die national-liberale 
Partei scheint sich dahin zu neigen. 
Das Haus beschließt, einen Theil des Ordinariums, das ganze 
Extraordinarium und die Anlehens-Vorlage der Budgetcommission 
zu überweisen und den Rest im Plenum zu berathen. 
Angesichts der noch ungelösten Reichskanzlerkrisis und den groszen Ent- 
scheidungen, welche mit derselben verknüpft sind, nehmen schon in dieser ersten 
Sitzung die Parteien und Personen mehr oder weniger Stellung namentlich 
zu der Frage der Steuerreform. Daß die Conservativen, welches auch ihr 
Vorname —Alt-, Neu= oder Frei= — sein mag, mit derselben Begeisterung 
die Beseitigung der Motricularbeiträge vertreten, wie einige Heißsporne der 
Fortschrittepartei die Conservirung derselben in dem bieherigen Umfang, ist 
begreiflich. Die große Frage war nur, wie der zeitige Finanzminister sich 
zu dieser Angelegenheit und damit zu den Idcen des Fürsten Bismarck Fot 
stelle. Die Trockenheit des Camphausen'schen Expose's über die preußische 
Finanzlage bei Gelegenheit der Einbringung des Etats hatte vielfache Com- 
mentare hervorgerufen; seine absolute Zurückhaltung erschien um so auffälliger, 
als in sonst unterrichteten Kreisen seine Stellung für fester denn je gehalten 
wurde. Im Laufe der ersten Berathung des Etats nun läßt Camphausen 
den Schleier ganz fallen und sagt klar und deutlich, was er will und nicht 
will. Der Finanzminister erklärt auf das bestimmteste: die Vermehrung der 
Erträge der indirekten Steuern sei dringend geboten, und zwar im Interesse 
der Particularstaaten. Die Mittel, welche der preußische Staatshaushalt an 
die Hand gebe, seien unzureichend. Andrerseits aber könne er zu einer völ- 
ligen Beseitigung der Matricularbeiträge nicht die Hand bieten; der Neeichs- 
tag könne derselben nicht entbehren. (Bravo! auf der Linken.) Wenn das 
Land es wünsche, könne man in der Steigerung der Einnahmen aus den in- 
direkten Steuern über das Maß des für das Reich absolut Nothwendigen 
hinausgehen und den Mehrertrag zwischen dem Reich und den Particular= 
staaten theilen, so daß diese in die Lage kämen, gewisse Beträge der direkten 
Steuern den Communalverbänden zu überlassen. Ueber das Wie der Steige- 
rung der indirekten Steuererträge will dagegen Camphausen sich nicht aus- 
sprechen. Solche Vorschläge vorher ankündigen wäre leichbebeutend mit Pa 
ralisirung derselben. Er erinnert daran, daß im ahre 1873 der Plan der 
Erhöhung der Tabaksteuer gerade deßhalb gescheitert sei, weil dur die Be- 
rufung der Sachverständigen-Commission zur Besch chaffung eines Ersa 5 sür 
die Salgzsteuer die Absicht der Steuererhöhung zu früh bekannt geworden sei. 
Es ist vielleicht nicht unabsichtlich, daß Camphausen nur von einer Erhöhung 
der Tabaksteuer spricht, während neuerdings vielfach die Einführung des 
Tabak-Monopols befürwortet wird. Beispielsweise ist es bekannt, dah die 
hessische und die württembergische Regierung zu den Anhängern des Mono- 
pols gehören. Zum Schluß # ht sich Camphausen zur Abwehr der Augrife 
welche die Abgeordneten v. 276 litz, v. Rauchhaupt und ihr Antipode, 
Richter- -pagen. gegen die preußische Finanzlage berichtet hatten, in einer aleu- 
stellung der wirklichen Verhältnisse, indem er namentlich auf den Reichthum 
hinweist, welchen der preußische Staat in seinen Domänen und Forsten besitze. 
 
	        
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