Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

Das dentsche Reich und seine riszelnen Glieder. (Dez. 5—7.) 189 
ollten. Minister Camphausen: „Ich habe gestern weder von 11 noch 
von 5 Millionen gesprochen. Heute erlläre ich, daß das gesammte mobile 
Vermögen des Königs Georg, soweit es in Obligationen vorhanden war, 
ebenso unangetastet ist, wie die 5 Millionen verzinslich in Gemäßheit des 
Vertrages angelegt sind. Ich verwahre mich dagegen, eine Aeußerung als 
Vicepräsident des Staatzministeriums in einem andern Sinne zu machen, wie 
in meiner Stellung als Finanzminister, wie mir dies von Windthorst unter- 
stellt worden ist. Ich habe mich niemals einer solchen Praxis schuldig ge- 
macht, eine Aeußerung in anderem Sinne zu thun, als ich sie ausspreche. 
(Großer Widerspruch und rärm im Centrum, stürmischer Beifall auf der 
Linken und Rechten.) Ich will wiederholen, daß die Regierung den Welfen- 
jonds niemals Als erwünschte Einrichtung. augeschen hat. Ich wünsche, daß 
er Zeitpunkt herangenaht sei, wo der Kampf gegen die römische Hierarchie 
sein Ende nehmen kann, und wünsche 8 daß der damit auf's engste zu- 
senenhengenn Kampf gegen die welfischen Agitationen auch sein Ende 
inde.“ (Stürmischer Beifall.) Miquel spricht seine Anerkennung der bonn 
tics der Regierung aus, wünscht aber den Mißständen ein Ende gemacht zu 
sehen. — Damit chlient= die Debatte. Der Antrag Richter's wird gegen die 
Stimmen der Fortschrittspartei, des Centrums und der Polen abgelehnt. 
5. Dezember. (Bayern.) II. Kammer: lehnt die vom Pe- 
titionsausschuß als zur Vorlage an die Kammer „nicht geeignet" 
befundene Petikion des bayerischen Schullehrervereins um Nevision 
des Schuldotationsgesetzes, von einem Milgliede der Kammer selb- 
ständig aufgenommen, mit 76 (ultr.) gegen 72 (lib.) Stimmen ab. 
7. Dezember. (Deutsches Reich.) Da die Gesundheit des 
Reichskanzlers die Rückkehr desselben nach Berlin in eine unbestimmte 
Ferne zu schieben scheint, so wird die „Kanzlerkrisis“ neuerdings acut 
und in der gesammten Presse auf's lebhafteste erörtert. 
Ein hervorragendes Mitglied der national-liberalen Jattei schreibt 
darüber der Augsb. Allg. Ztg.: „Bereits im April d. J. hat es sich als 
unthunlich herausgestellt, Angesichts der jezigen Bestimmungen der Reichs- 
verfaßung eine verantwortliche Stellvertretung des Reichskanzlers — etwa 
durch den Bicepräsidenten des praudiichen Staatsministeriums — eintreten 
u lassen. Die Frage wird jetzt noch dadurch complicirt, daß durch die Er- 
sehrangen der letzten acht Monate festgestellt ist, eiumal daß eine vorüber- 
gehende Ausspannung und Erleichterung den Reichskanzler nicht in den Stand 
setzt, die alte Last wieder zu übernehmen, und dann daß die zunehmende Ver- 
wirrung in der gesammten inneren Politik und Verwaltung die Verlängerung 
des Urlaubs in der bisherigen Weise unmöglich macht, daß also für den 
Reichskanzler selbst wie für Reich und Staat organische und „politisch-per- 
sönliche" Einrichtungen und Aenderungen (Bennisen?) nothwendig sind, welche 
dem Reichskanzler die unentbehrliche Erleichterung der Geschäftslast, dem, Neiche 
die nothwendige Stietigkeit und Festigkeit der Verwaltung sichern: as 
natürlich unter der Voraussehung, daß allerseits die vollständige Salles as 
des Fürsten Bismarck von allen Geschäften als im Interesse des Reichs und 
Preuhens unmöglich erachtet wird. In dieser Alternative liegen die Elemente 
einer großen politischen Krisis. Daß Fürst Bismarck entschlossen ist, diese 
Angelegenheit ictt endgiltig zum Austrag zu bringen und nicht wieder in 
die alten Verhh tnisse zurückzukehren, daran ist nicht zu zweifeln. Hat er 
doch beispielsweise den Befehl gegeben, seine bisherige Wohnung im aus- 
  
 
	        
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