Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

Grehbritiannien. (Maärz 13 26.) 251 
jedem späteren Mißverständniß über die Versprechungen der Türkei 
vorzubeugen“. 
13. März. England erklärt sich im Allgemeinen zu der Unter- 
zeichnung eines Protokolls der Mächte begzüglich der orientalischen 
Frage in London geneigt; doch verlangt es in dem russischen Ent- 
wurf mehrfache Modificationen, namentlich die Beseitigung der spe- 
ziellen Aufzählung der Reformen, zu denen die Pforte verpflichtet 
sein soll, um dieser nicht zu nahe zu treten und jedem eventuellen 
materiellen Zwang dieser gegenüber auszuweichen, und sordert ferner 
die Abrüstung Rußlands. 
26. März. Die Londoner Protokoll-Conferenz stößt auf Schwie- 
rigkeiten. Rußland verlangt in dem von England modifizirten Ent- 
wurf die Streichung des auf die Demobilisirung bezüglichen Passus, 
sowie desjenigen, der der Pforte behufs Ausführung der Reformen 
eine einjährige Frist gewährt. Nach lebhaftem Depeschenwechsel läßt 
England beide Punkte wirklich fallen. Aber nun taucht eine andere 
Differenz auf: Rußland beharrt auf der Jorderung, daß in das 
Protokoll nicht die Beschlüsse der Konstantinopler Consereng, sondern 
die (weitergehenden) der Vorconferenz ausgenommen werden sollten, 
und verlangt überdies: 
a) Die Specificirung der Reformen und administrativen Maßnahmen 
für Bosnien, Herzegowina und Bulgarien, wie solche von der Präliminar= 
conferenz als nothwendig anerkannt worden sind, und von welchen ein Theil 
bereits von der Pforte angenommen und zur Durchführung vorbereitet, der 
andere aber bisher abgelehnt wurde; b) die Bestimmung, daß, im Falle die 
Pforte die in dem Protokoll aufgeführten Reformen nicht annimmt, oder im 
Falle der Annahme nach einiger Zeit nicht ausführt, den Mächten freislehe, 
gegen die Pforte executiv vorzugehen. Der Protokollentwurf enthält keine 
nähere Bezeichnung der Frist, welche der Pforte zur Durchführung der ge- 
forderten Maßnahmen gewährt werden soll. Ebenso werden auch die execu- 
tiven Maßregeln nicht bezeichnet, welche eventuell gegen die Türkei von 
Seiten der Mächte ergriffen werden sollen. Die Untergeichnung des Proto- 
kolls würde durch sämmtliche Mächte erfolgen, die an dem Pariser Tractat 
theilgenommen haben. Die Pforte hat sich durch ihre Unterschrift für die 
Ausführung der von den Mächten aufgestellten Forderungen zu verpflichten. 
Ein Nachtrag zu dem Protokoll, der eigentlich einen besonderen Vertrag 
bildet und nur von den Großmächten, mit selbstverständlicher Ausschliehung 
der Türkei, signirt würde, bestimmt, daß eventuell, bevor gegen die Türkei 
executiv vorgegangen wird, Verhandlungen unter den einzelnen, Cabineten 
über den Modus der Execution eingeleitet werden sollen. Toch würde e hier- 
durch keine einzige der Mächte gebunden, und eine jede derselben könnte 
selbständig auftreten, ohne daß die andern Mächte dagegen Einsprache erheben. 
Da eine Einigung der Mächte vorerst nicht möglich zu sein 
scheint, so werden die Conferenzen zunächst ausgesetzt, jedoch nicht 
abgebrochen.
	        
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