Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

256 Grektriltannien. (Mai 12.) 
Resolutionsanträge Gladstone's: „1) Daß das Haus gerechte 
Ursache zur Unzufriedenheit und Klagsührung in dem Benehmen der Pforte 
betreffs der Depesche Lord Derby's vom 21. Februar 1876 über die bulga- 
rischen Metzeleien findet. 2) Daß, bis dieses Benehmen von Grund aus ge- 
ändert und bis Bürgschaften zu Gunsten der unterworfenrn Bevölkerungen 
anderer Art als die Versprechungen oder die auf den Schein berechneten Maß- 
regeln der Pforte durchgeführt worden sind, jene Regierung dem Urtheile des 
Hauses Fenoh alles Anspruchs auf materielle oder moralische Unberstähnng 
# brittischen Krone verlustig hegangen ist. 3) Daß inmitten der bestehen- 
den Verwicklungen. und des thatsöchlich begonnenen Kriegs das Haus ernst- 
lich wünscht, den Einf fluß der brittischen Krone im Rath Europas zu Gunsten 
einer baldigen und durchgreifenden Entwicklung zu lokaler Freiheit und that- 
sächlicher Selbstverwaltung in den zerrütleten Provinzen der Türkei, durch 
Beendigung der Unterdrückung, unter welcher sie jetzt seufgen, * ihnen eine 
andere fremde Herrschaft aufzuerlegen, angewandt zu sehen. 4) Taß einge- 
denk der weisen und ehrenwerlhen Politik Englands in dem Protokoll von 
1826 und dem Vertrage vom Juli 1827 hinsichtlich Griechenlands das Haus 
ferner ernstlich wünscht: daß der Einfluß der brittischen Krone zur Beför- 
derung des Einvernehmens der europäischen Mächte verwendet werde, um 
durch deren vereintes Ansehen der Pforte solche Veränderungen in der Re- 
gierung der Türkei abzunöthigen, wie sie im Interesse der Menschlichkeit und 
Gerechtigkeit zur wirksameren Vertheidigung gegen Intriguen und zur Sicher- 
ung des Weltfriedens erforderlich erscheinen. 5) Daß eine ergebene Adresse, 
die Wünsche des Hauses aussprechend, den Worklaut der vorstehenden Reso- 
lutionen enthaltend, der Königin überreicht werde.“ Gladstone fügt hinzu: 
er bringe diesen Antrag auf seine eigene Verantwortlichkeit, „und nicht als 
Sprecher einer Partei oder des Bruchtheils einer Partei im Haus-, ein. 
Die erste Resolution wird mit 354 gegen 223, also mit einer Mehr- 
heit von 131 Stimmen verworfen. Das Resultat wird als ein schlagender 
Beweis für die starke Stellung angesehen, welche die Regierung im Unter- 
hause besitzt. So wird wenigstens derselbe von der Regierungspartei ange- 
sehen: denn ihr gegenüber erscheinen Hunderte von Versammlungen liberaler 
Vereine und Körperschoften, gleichviel ob sie mehr oder weniger lärmend auf- 
treten, ob sie in geschlossenen Räumen von bloß Hunderten oder unter freiem 
Himmel von Tausenden abgehalten werden, als unvermögend, einen maß- 
gebenden Einfluß auf die Politik der Negierung auszuüben. In zwischen 
btten immerhin stärker als bisher der Fall gewesen, in den gehaltenen Reden 
e beiden einander enigegenstehenden W der Parteien im Hause 
ans Licht: die eine, von der Regierung vertretene, daß es gegen das In- 
teresse 2 lands war, sich mit Rußland zu Zwangsmitteln gegen die Türbei 
zu verbünden, und daß es fortan die Pflicht des Cabinettes sein werde, da 
rüber 1 wachen, daß das Endergebniß des Krieges keine Schädigung der 
englischen Interessen bedinge; die andere, von der Opposition mehr oder 
weniger offen vertretene, daß England am besten ethan hätte, gemeinsam mit 
Rußland gegen die Türkei einzuschreiten, und da- nachdem diese Gelegenheit 
versäumt worden, es nichts Besseres thun könne, als dem weiteren Vorgehen 
Rußlands mit vollem Vertrauen in die Ehrlichkeit und Uneigennüßigkeit 
feiuer Zwecke zu folgen. Freiich befürworteten nicht alle Redner der Oppo- 
tion ein Bündniß mit Rußland behufs Zerschlagung der Türkei mit so 
seuer Rückhaltlosigkeit, wie es z. B. Herr Courtney gethan, abe 7 daß dieser 
edanke auch der Errige sei, dringt aus gar vielen ihrer Reden durch. 
12. Mai. Die Judicial committee des Privy Council bestätigt 
die Urtheile der niederen Gerichte gegen die Ansprüche der Ritnalisten
	        
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