Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

262 Erankreic (Jan. 22... Febr. 7.) 
22. Jannar. Abg.-Kammer: der gewesene Minister des Innern, 
de Marcere, hält seine Antritktsrede als Präsident des linken Cen- 
trums und betont in derfelben die Nothwendigkeit, die Solidarität 
der drei Gruppen der Linken aufrecht zu erhalten. Es ist dies auch 
ganz die Politik Gambetla's als Führers der äußersten Linken. 
25. Januar. Abg.-Kammer: bestellt die Budgetcommission 
aus 18 Mitgliedern der äußersten Linken, 8 der Linken, 5 vom linken 
Centrum und 2 Constitutionellen. Dieselbe wählt Gambetta wieder 
zu ihrem Präsidenten. Gambetta tritt das Amt mit einer sehr ge- 
mäßigten Rede an. 
27. Januar. Abg.-Kammer: der Petitionsausschuß empfiehlt 
derselben, eine Petition, die auf Ausweisung der Jesuiten und Con- 
fiscation ihres beweglichen Vermögens anträgt, dem Justizminister 
gur Berücksichtigung zu überweisen, in Erwägung, daß „die Bitt- 
steller nur die unparteiische Anwendung der Gesetze verlangen“. 
29. Jannar. Abg.-Kammer: der Unterrichtsminister bringt einen 
Gesetzentwurf betr. die Unentgeltlichkeit des Elementarunterrichts ein. 
Dieser Sohmuf gent noch nicht so weit, die Unentgeltlichkeit allent- 
halben obligatorisch zu machen; aber er sucht fie auf viele Gemeinden aus- 
Kbehuen. welche bisher der Nejorm verschlossen blieben. Nach der bestehen- 
#n Gesehgebung verlieren nämlich die Gemeinden, sobald sie die Unentgelt- 
NeGt bei sich einführen, die Subvention des Staates, und diese Bestimmung 
machte in der That an vielen Orten den lebergang zum Gratisunterricht 
unmöglich. Die neue Vorlage sorgt nun dafür, daß die Gemeinden pecuniäre 
Rücksichten nicht mehr vorschützen können. 
Bezeichnend für die momentane Strömung der öffentlichen Meinung 
ist die Leichtigkeit, womit in der antillerikalen Bewegung das linke Centrum 
sich sogar mit den Extremen der eußersten Linken zusammenfindet. Gegen 
den Geist und den Buchstaben des Gesetzes pflegen die Maires katholischen 
riestern oder gewesenen Priestern die Civilehe zu verweigern und noch häu- 
figer geben ihnen die Gerichte Recht. Hr. Louis Blanc stellte den Antrag: 
die Maires, mittelst eines Zusatzartikels zum Gesetze, zur Amtshandlung bei 
solchen Ehen ausdrücklich zu verpflichten. Der Antrag trug nur Unterschrif- 
ten aus der äußersten Linken. Bald gesellten sich auch Mitglieder der ge- 
mäßigten Linken dazu und jetzt wird er auch im linken Centrum unterzeichnet. 
Der zur Prüfung des Antrags von Louis Blanc auf Ab- 
schaffung der Todesstrafe bestellte Ausschuß lehnt denfelben, ohne 
auf eine theoretische Prüfung der Frage auch nur einzugehen, aus 
Opportunitätsgründen ab. 
7. Febrnar. Der Pariser Gemeinderath weist eine clericale 
Speculation auf das Monopol der Leichenbeerdigungen, ohne eine 
Minute oder ein Wort zu verlieren, mittelst eines einstimmigen 
Votums ab.
	        
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