270 Era#kreich. (April 27. — Mai 2.)
27. April. Der Bischof von Nevers setzt seine Agitation für
einen ultramontanen Kreuzzug gegen Italien fort. Einen Hirten-
brief an seine Dibzesanen schließt er damit:
... Pius IX. ist noch König, selbst in den Augen seiner Feinde
und seiner Berauber; man ist gezwungen, sich zu sagen, daß die italienische
Einheit nicht fertig ist, daß die weltliche Macht wieder beginne, und nach
einer großen Erschütterung, bei der vielleicht viele Armeen und viele Kronen
untergehen werden, wird es in der Politik der Nationen eine einmüthige
Stimme geben, die von einem Ende Europas bis zum andern ausrufen wird:
„Gebt Rom seinem früheren Herrn zurück, Rom gehört dem Papst, Rom ge-
hört Gott.“
30. April. Der Unterrichtsminister Waddington sieht sich ge-
nöthigt, die Unterzeichnung ultramontaner Petitionen wider die ita-
lienische Regierung in den Elementarschulen und durch die Schul-
kinder in einem Rundschreiben an die Präfekten zu verbieten.
— April. Troß der vom Präsidenten möglichst eingeschränkten
Purification der höheren Beamtenwelt, die seit dem Sturze des Hrn.
Thiers von Broglie und den andern Männern der „moralischen
Ordnung"“ mit allen Kräften und allen Mitteln ans Gegnern der
Republik zusammengesetzt ward, behaupten schärfere Beobachter doch,
daß die neue Ordnung der Dinge nicht nur in immer weiteren
Kreisen der Bevölkerung, im Heere (abgesehen von einem Theile der
meist schon älteren höhern Commandanten), sondern selbst unter den
Beamten Wurzel gefaßt habe und sich läglich mehr und mehr ein-
lebe. „Bleibt Jules Simon nur noch bis zum Herbst Minister, so
hat die Bureaukratie der „moralischen rdnung“ ausgelebt und ist
die Republikanisirung des Landes und der Verwaltung im Wesent-
lichen beendigt.“
1. Mai. Abg.-Kammer: Leblond (von der republikanischen
Linken) kündigt eine Interpellation über die clericalen Umtriebe an
und dieselbe wird sofort auf den J. Mai angesetzt. Der (clericale)
Graf de Mun knüpft daran eine lange Rede über die angeblichen
Beeinträchtigungen der Katholiken, worauf der Minister-Präsident
zunächst nur kurz erwiedert, daß er jede Solidarität mit den Fein-
den des Christenthums ablehne, aber es für seine Pflicht halte, die
unverjährbaren Rechte des Staats zu wahren.
2. Mai. Abg.-Kammer: der Budgetausschuß ist mit seinem
Berichte fast fertig. Die Führer der Linken berathen jedoch darüber,
-ob es nicht die Vorsicht gebiele, das Ausgabe-Budget unter keinen
Umständen vollständig schon in dieser Session zu bewilligen, weil sie
fürchten, daß, falls das Budget erst einmal bewilligt sei, das Elysce