272 Erankrei. (Mai 7- 16.)
Die Linke der Kammer seht auf das Geseh, wofern der Senat es an-
nimmt, große Hoffnungen. „Wird das Gemeindegesetz, meinen sie, rechts-
kräftig vor den bevorstehenden Wahlen der Maires, ß lassen sich liberale
Wahlen dieser hoffen; liberale Maires aber stellen liberale Wahlmänner für
die Wahlen des ausstehenden Drittels der Senatoren in Aussicht und wür-
den so dem Senate wieder eine sichere, feste liberale Mehrheit sichern.“
7. Mai. Der Präsident der Republik schickt den eben in Paris
befindlichen Gesandten in Berlin, de Gontaut-Biron, nach Metz, um
den deutschen Kaiser bei seinem dortigen Besuche in seinem Namen
zu begrüßen.
8. Mai. Abg.-Kammer: der Budgetausschuß hat sich mit der
Regierung beinahe über alle Ansätze des Cultusbudgets in's Einver-
nehmen gesetzt und nur 500,000 Fr. an den Erfordernissen für den
Bau und die Instandhaltung der Kirchen abgestrichen. Der Credit
für die Seminare, welcher das lette Mal zu lebhaften Debatten
Anlaß gab, wurde im Betrag von 1,032,200 Fr. unter der von
der Regierung angenommenen Bedingung bewilligt, daß diejenigen
Seminare, deren Professoren geistlichen Körperschaften ongehören, die
von dem Gesetz nicht ermächtigt sind, wie z. B. die Jesuiten, an
den Staatsstipendien keinen Theil haben sollen.
15. Mai. Abg.-Kammer: genehmigt nach einer beredlen Rede
Albert Grovy's mit 392 gegen 56 Stimmen den Antrag des Bona-
partisten Cuneo d’rnano auf Abschaffung des während der Regie-
rung der moralischen Ordnung erlassenen Gesetzes, das die Urtheile-
sprechung über Beleidigungen der Presse gegen die Nationalvertretung,
gegen den Präsidenten der Republik und die auswärtigen Souve-
räne von der Jury auf die Zuchtpolizeigerichte übertrug, obgleich
Simon in der Berathung die Sache für „unzeitgemäß“ erklärt hatte.
16. Mai. Staalsstreich des Marschalls Mac Mahon. Der
Marschall richtet an den Minister-Präsidenten einen Brief, in dem
er denselben wegen des Beschlusses der Kammer vom 15. d. M. mit
Vorwürfen überhäuft. Jules Simon fordert darauf sofort seine
Entlassung, die der Marschall offenbar beabsichtigt hat und daher
auch ohne Zögern annimmt. Die übrigen Minister schließen sich
dem Schritte an. Die öffentliche Meinung in und außer Frankreich
ist darüber einig, den Angelpunkt des Ereignisses in der Tagesord-
nung vom 4. d. M. zu erkennen und die clericale Partei als den
eigentlichen Urheber des verhängnißvollen Schrittes zu bezeichnen.
Die Abgeordneten der verschiedenen Fractionen der Linken treten
noch am Abend in der Zahl von etwa 250 zusammen und Gambetta