Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

Frankreich. (Mai 17—18.) 273 
tritt als erster und einziger Redner auf. Die Versammlung be- 
schließt auf seinen Antrag einstimmig und ohne Debatte folgende 
Tagesordnung, die morgen in der Kammer eingebracht werden soll: 
.„In Erwägung, daß es für die Kammer in der gegenwärtigen Krisis 
und zur Erfüllung des ihr vom Lande übertragenen Mandats von Wichtig- 
keit ist, daran zu erinnern, daß das Uebergewicht der parlamentarischen Ge- 
walt, welche in der Ministerverantwortlichkeit ihren Ausdruck findet, die erste 
Bedingung der Regierung des Landes durch das Land ist, wie die VBerfass- 
ungsgesehe sie einzuführen bestimmt waren, erklärt die Kammer, daß das 
Vertrauen der Majorität nur einem Cabinet erworben sein kann, welches in 
seinem Handeln frei und entschlossen ist, nach den republikanischen Grund- 
sähen zu regieren, die allein Ordnung und Wohlstand nach innen und Frie- 
den nach außen verbürgen könne 
17. Mai. Abg.= Kammer: genehmigt nach kurzer Debatte, in 
der nur Gambetta für die Linke das Wort ergreift, mit 355 gegen 
154 Stimmen die Tags vorher beschlossene Tagesordnung. 
18. Mai. Mac Mahon bildet ein neues Cabinet: Herzog 
v. Broglie Präsidium und Justiz, de Fourtou (Bonapartist) Inneres, 
Caillaux Finanzen, Paris öffentliche Arbeiten, de Meaux (Legitimist) 
Landwirthschaft, Brunet (clerical) Unterricht — ein entschiedenes 
gouvernement de combat. Die Entlassung des Herzogs Decazes 
als Ministers des Auswärtigen wird von Mac Mahon nicht ange- 
nommen, indem er an denselben einen Brief richtet, der die Absicht 
ausdrückt, die freundschaftlichen, vertrauensvollen Beziehungen zu 
den Mächten aufrecht zu erhalten; dieselben dürften in keiner Weise 
verletzt und in der bisherigen Haltung Frankreichs nichts geändert 
werden. 
Sitzung beider Kammern. Mac Mahon richtet an dieselben 
eine Botschaft, durch welche dieselben auf einen Monat vertagt wer- 
den. In der Abg.-Kammer erklärt Präsident Grevy: man müsse 
innerhalb der Grenzen der Gesetzlichkeit bleiben und der Zukunft mit 
Besonnenheit, Entschlossenheit und Vertrauen entgegen sehen. Die 
Linke Sen sich unter dem Rufe: Es lebe die Republik! 
In der Botschaft des Marschalls heißt es, er habe sich mit 
strengster Gepissenhaltigkett in Uebereinstimmung mit ber Constitution ge- 
bal gs i e die Ministerien Dufaure und Simon in der Absicht ge- 
c mit der Majorität der Kammer in Einklang zu sehen. Diese 
kaict. ätten jedoch in der Kammer nicht die Maiorität um sich zu vereini- 
gen vermocht und dabei doch ihre eigenen Ueberzeugungen vorwalten zu lassen. 
.Hr. Dufaure hat vergangenes Jahr vergeblich befsuch- bei der letzten Budget- 
derathung die Neuerungen zu verhindern, die er mit Recht für sehr gefähr- 
lich hielt. Es blieb dem Präsidenten des letzten Cabinets eine gleiche Nieder- 
lage vorbehalten in sehr gewichtigen Gesetzgebungsfragen, in denen er eine 
Uebereinstimmung mit mir dahin erzielt hatte, daß eine Abänderung nicht 
zugelassen werden solle. Nach zwei erfolglosen Versuchen konnte ich teinen 
Schulthess. Gurop. Geschichtskalender. XVIII. Bd.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.