Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

Ratland. (März 27. — April 20.) 383 
dem Gonverneur der Provinz streng subordinirt. Jede von den städtischen 
Organen getroffene Entscheidung, mit welcher der Gonverneur nicht einver- 
standen ist, oder die zu internen Streitigkeiten Veranlassung gibt, kann von 
diesem vor die „Gouvernements-Behörde für städtische Angelegenheiten“, eine 
aus fünf Staaksbeamten und einigen provingialständischen Vertretern zu- 
sammengesetzte, wesentlich bureankratische Instanz, gebracht werden, an deren 
Spitze wiederum der Gouverneur steht, die ausschließlich in russischer Sprache 
verhandelt und über deren Cutscheidung nur noch ein Recure an die St. 
Petersburger Centralbehörde (das erste Departement des Senate) möglich ist. 
27. März. (Finnland.) Landtag: die Regierung macht dem- 
selben die angekündigte Vorlage betr. Einführung der allgemeinen 
Wehrpflicht: 
Dem Gesetzentwurf hat durchgängig das für das Kaiserreich zu Kraft 
bestehende Webreiep zum VBorbild gedient. Der allgemeinen Wehrpflicht un- 
terliegen alle Finnländer mit einstweiliger Ausnahme der Bewohner von 
Lappmarken. In Folge der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ist Finn- 
land der Verpflichtung, Landestruppen zu unterhalten, enthoben. Loskauf 
durch Geld oder Stellvertretung ist nicht zulässig. Die militärischen Kräfte 
Finnlands bestehen aus dem stehenden Heer und der Landwehr und ersteres 
aus den die activen Truppen bildenden Schüßenbataillonen und der Reserve. 
Das alljährlich einzuberufende Contingent wird durch ein allerhöchstes Re- 
script an den General-Gonverneur festgestellt. Die nach dem Loos in den 
Militärdienst eintretenden Truppen haben drei Jahre im activen Dienst und 
darauf acht Jahre in der Reserve zu verbleiben, worauf sie der Landwehr 
zugezählt werden. 
31. März. Die Unterhandlungen mit England sind geschlossen: 
das Londoner Protokoll wird von sämmtlichen Großmächten unter- 
zeichnet (ugl. Eugland und Pforte). 
Die bis Ungheni führende russische Bahn wird mit der dort 
einmündenden rumänischen Bahn direkt verbunden. 
3. u. 4. April. Rußland und England überreichen der Pforte 
das Londoner Protokoll (s. Pforte). 
9. April. Die Pforte lehnt ihrerseits auch die Annahme des 
Londoner Protokolls ab (vgl. England und Pforte). 
13. April. Die russische Südarmee setzt sich in allgemeinen 
Vormarsch gegen den Pruth. 
20. April. Rußland unterhandelt mit dem Berliner Bank- 
hause Mendelssohn u. Comp. und einem von diesem gebildeten Syn- 
dicat Pariser Bankinstitute über einen Vorschuß von 75 Mill. Fr. 
oder 60 Mill. Mk. Die Rothschild haben jede Betheiligung an dem 
Geschäft abgelehnt, das daher nicht ohne Schwierigkeit zu Stande 
kommt. Die Bedingungen sind sehr drückend und für das Ansehen 
der russischen Regierung ist die Art und Weise, wie der verhältniß- 
mäßig geringe Vorschuß erlangt wird, äußerst peinlich. 
 
	        
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