Kafland. (Mai 17—18.) 385
„1. Dem Chef der Civil-Angelegenheiten bei dem Obercommandirenden
der activen Armee als dem Hauptvermittler zwischen flavischen Wohlthätig=
keits-Instituten und den localen Bedürfnissen der Slaven jenseits der Donau
liegt unter Oberleitung des Obercommandirenden die Aussicht über die ge-
sammie Thätigkeit der flavischen Wohlthätigkeits-Anstalten und ihrer Agen-
ten außerhalb Rußlands, besonders in den türkischen Gebieten und in Ser-
ien ob. 2. Ihm, dem Chef, werden von den genannten Instlituten sowohl
enaue Listen ihrer Agenten in den genannten Gebieten, als auch besonders
Aufschräsfe über die diesen gegebenen Aufträge eingesendet. 3. Er, der Chef,
kann von diesen Agenten die itheilung genauer Nachrichten über alle die
Fragen verlangen, die im Kreise ihrer Thätigkeit liegen oder für die Civil-
kanzlei bei der activen Armee irgendwie von Gewicht sind. 4. Er verlangt
von den Agenten der sflavischen Wohlthätigkeits-Anstalten Rechenschafts-Ab-
legung über die Ausführung der ihnen gewordenen Aufträge und Angaben
über die Benützung der ihnen zur Versüqhu gestellten Gelder. 5. Auf
Grundlage nachgewiesener Verletzungen ihrer Obliegenheiten von Seiten dieser
Agenten und ebenso im Falle einer unerlanbten politischen Thätigkeit am
Orte wird er von den flavischen Wohlthätigkeits-Anstalten eine Abberufung
diejser Agenten verlangen und gestattet, wenn es nöthig ist, ihre Ersetzung
durch andere. In Fällen, welche keinen Aufschub zulassen, ergreift er mit
Erlaubniß des Obercommandirenden unverzügliche Maßregeln zur Aufhebung
ihrer Thätigkeit und, falls es nöthig ist, zu ihrer Entfernung, worüber dem
betreffenden Institut zur Kenntnißnahme Mittheilung gemacht wird. 6. Mit
Erlaubniß des Obercommandirenden kann bei der Eivilkanzlei ein Haupt-
agent der slavischen Wohlthätigkeits-Anstalten zugelassen werden, um die
Thätigkeit der übrigen localen Agenten zu leiten.“
I7. Mai. In den polnischen Gymnasien wird der Gebrauch
der russischen Sprache auch für die Ertheilung des Religionsunter-
richts anbefohlen.
18. Mai. Antwort Gortschakoff's auf die englische Depesche
des Lord Derby vom 6. Mai bezühglich der englischen Interessen im
Oriente (s. England): Rußland gibt die formelle Zusicherung, die
englischen Interessen nicht verletzen zu wollen:
.. Die kaiserliche Regierung will weder den Suez-Canal blokiren
noch die Schifffahrt auf demselben in irgendeiner Weise unterbrechen oder
bedrohen. Sie betrachtet den Canal als ein internationales Werk, an wel-
chem der Welthandel interessirt ist, und welches von jedem Angriffe frei
bleiben sollte. Aegypten ist ein Theil des türkischen Neiches. und dessen Con-
tingent steht in der türkischen Armee. Rußland könnte sich daher als mit
Aegypten im Kriegszustande befindlich betrachten. Nichtsdestoweniger will
die kaiserliche Regierung doch nicht die europäischen Interessen und besonders
diejenigen Englands in jenem Lande übersehen. Sie wird daher Aegypten
nicht in den Kreis ihrer militärischen Operationen einbeziehen. Was Kon-
stantinopel betrifft, so wiederholt das kaiserliche Cabinet daß, ohne im Stande
zu sein, dem Verlauf oder dem Refultat des Krieges vorzugreifen, die Er-
werbung jener Hauptstadt von den Absichten Se. kaiserl. Maj. ausgeschlossen
ist. Sie erkennt an, in jedem Fall die Zukunft von Konstantinopel
eine Frage von gemeinsamem Interesse ist, die nur durch gemeinsames Ein-
verständniß gelöst werden kann, und daß, wenn der Besib jener Stadt in
Frage gestellt werden sollte, dieselbe keiner einzigen der europäischen Mächte
gehören sollte. Was die Dardanellen anbetrifft, so bilden sie, obgleich beide
Schulthess, Europ. Geschichtskalender. XVIII. Bo. 25