Rahland. (Juli 15. — Olt. 20.) 387
15. Juli. Der Krieg in Asien hat eine für Rußland sehr un-
günstige Wendung genommen: die dortige Armee erhält den Befehl
zu einer allgemeinen Rückwärtsconcentrirung. Die Nachricht davon
ruft aber in Rußland selbst unter den panflavistischen Agitations-
comites namentlich in Moskau eine gewaltige Erregung hervor und
es werden sehr weit gehende Forderungen an die Regierung laut.
2. August. Auch in Europa hat der Krieg eine für NRußland
sehr fatale Wendung genommen. Gurko wird südlich des Balkan ge-
schlagen und ein Sturm auf Plewna mißlingt. Das Hauptauartier
muß von Tirnowa in aller Eile wieder nach Viela zurückverlegt
werden und wenn die türkischen Heerführer rasch und in festem Ein-
vernehmen operiren, so steht zu fürchten, daß die Russen wieder über
die Donau zurückgehen müssen. Doch ist es namentlich Suleiman P.,
der sie durch seine Fehler aus dieser Gefahr rettet.
23. September. In Folge ber schlimmen Lage auf dem Kriegs-
schauplatz zieht sich Ignatieff, angeblich aus Gesundheitsrücksichten,
nach Kiew zurück. Gen. Tschernajeff, serbischen Angedenkens, wird
aus dem Verband der kaukasischen Armee entlassen. Die paufla-
vistischen Organe äußern sich darüber sehr ungufrieden.
30. September. Auch der jüngste Sohn des Kaisers geht zur
Armee nach dem Kriegsschauplatz ab.
8. Oktober. Der Panslavistenführer Aksakoff hält in Moskau
eine Rede, welche großes Aufsehen macht.
Aksakoff deckt darin kühn seine Pläne und seine Ideen auf und denkt
ganz laut vor Europa und Rußland. Nach außen hin ist seine Rede eine
neue Herausforderung Europa's und der abendländischen Civilisation, eine
scheen i#ir wesentlichsten Interessen, ein Verdammen alles dessen, was
nicht zur russischen Rechtgläubigkeit und zum Panflavismus gehört. Aber
die größte Bedeutung dieser Rede liegt in i#in Richtung nach innen. Hr.
Aksakoff legt einen besonderen Nachdruck auf die Niederlagen der russischen
Waffen, und nimmt sie zum Ausgangspunkt, um allem, was in der russi-
schen Gesellschaft sich zwischen dem Zaren und dem Volke befindet, den Krieg
zu erklären. Volk und Zar — ist das letzte Wort seines Programms.
13. Oktober. Der „Regierungs--Anzeiger“ veröffentlicht eine
kaiserliche Verordnung, enthaltend Bestimmungen, wonach jeder auf
dem Kriegsschauplatze befindliche Soldat für militärische Verdienste
zum Offiziersrang befördert werden kann. Die weitere Beförderung
ist von Ablegung einer Prüfung abhängig.
20. Oktober. Da auswärtige Anlehen in irgendwie genügender
Höhe sich als unmöglich herausgestellt, innere Anlehen aber als un-
genügend und schwierig sich erwiesen haben, so muß die Notenpresse
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